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Volkes und namentlich bei den schuldlosen, nie aber bei dem
Volk als Souverän, an so etwas zu denken wäre. Im Gegen-
theil! Humanität und Sühne einer Schuld werden durch die
Logik einer verkehrt aufgefassten, angeblich unbestechlichen
Bürgertugend oder durch die Furcht vor Strafe zurückgedrängt
und zur Beseitigung der letzteren Verbrechen auf Verbrechen
gehäuft.
Mit den rechtmässigen Autoritäten hört das Recht selbst auf
und man befindet sich im Kampfe politischer Ansichten und Kräfte
ohne rechtliche Ordnung und Führung. So lange dieser Zustand
währt, kann man mit Recht nicht mehr vom Rechte sprechen.
So erklärt es sich auch, dass die Fehler der Monarchie, — und von
diesen namentlich deren Schwäche gegen den Beginn der Rechts-
verletzungen, gegen unbegründete Anforderungen, oder deren
eigensinniger Widerstand gegen begründete Anforderungen —, das
Volk, wenn der Moment gekommen, wo es nicht mehr ertragen
kann oder will, nicht zum Rechte, wohl aber zur Thatsache
einer Gewaltsrevolution treibt, und dass dıe Fehler des Volkes, —
seine Schwäche in Bezug auf seine Selbstthätigkeit, sowie be-
züglich der Erhaltung des Rechts und des Widerspruches gegen
rechtswidrige Gewalt —, zu widerrechtlichen Usurpationen verleitet.
An vielen Leiden ist übrigens der Staat ebenso unschuldig wie
derjenige, der sie zu dulden hat. Hierauf und auf die eigene
Verschuldung und auf die Unmöglichkeit socialer und wirth-
schaftlicher Gleichheit wird viel zu wenig Rücksicht genommen
und zuletzt vom Monarchen Alles verlangt. Wir sind durchaus
nicht gar so weit entfernt von Zuständen, wo man die Könige
für Regen und Sonnenschein verantwortlich machte. Mit Recht
sagt daher ein englischer Dichter des vorigen Jahrhunderts (Goro-
smitH): „Wie klein ist derjenige Theil aller menschlichen Leiden,
welchen Gesetze oder Könige anstellen oder heilen können!“
Wo das Recht wenig entwickelt, die Empfindlichkeit dafür
schwach, seine Continuität gering geachtet und tratz einer leben-