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während dieser langen Zeit thatsächlich unnöthig und unmöglich
gewesen oder unmöglich gemacht wurde. Es bewährte sich hier-
durch, was sich ja allgemein bewähren muss, nämlich einmal,
dass das formelle Recht nicht überall ausreicht, und dann, dass
sein Bestand und seine Geltung unabhängig davon ist, ob und
wie oft es wirklich zur Anwendung komme, ja dass es um so
besser wirkt, je seltener es gebraucht werden muss.
Setzen wir aber andere Verhältnisse, so muss doch bezüg-
lich der Anwendung des königlichen Vetos bedacht werden, dass
es zu seiner Geltendmachung der Gegenzeichnung des leitenden
Ministers bedarf. Nach englischem Recht ist dieser, was er ist,
regelmässig nur durch den Besitz der Parlamentsmajorität, und
es kann nicht angenommen werden, dass er ein Veto contra-
signire, welches gegen ein von seiner Majorität beschlossenes
Gesetz ginge. Hierzu wäre also ein anderes Ministerium erforder-
lich, welches die Majorität nicht hätte und folgeweise auch nicht
regieren könnte. Dass der König frei den Minister zu ernennen
berechtigt ist, ändert hieran nichts, da in England nach einer
Art von Naturnothwendigkeit dieses Recht wenigstens in allen
Fällen einer unzweifelhaften Parlamentsmajorität nur zu Gunsten
ihres Führers ausgeübt werden kann, und also hier, wo jede Partei
eine regierungsfähige sein muss, die Unmöglichkeit als Grenze
der Freiheit erscheint.
Gerade der Mangel einer scharfen Abgrenzung der sog.
Prärogativen des Volkes, des Parlamentes und der Krone lässt
eine doctrinäre Anwendung der Volks-, Parlaments- und Königs-
souveränetät nicht zu und trägt zur Erklärung der geschilderten
Verhältnisse wesentlich be. Wenn sich nun auf dem Continent
die Sache wesentlich anders stellt, so wird doch die Anwendung
des monarchischen Vetos stets eine sehr zu überlegende Frage
sein. Und wenn man namentlich an das ständische Budgetrecht
auch in seiner vernünftigsten Begrenzung denkt, so wird man
eine gefährliche Anordnung des Vetos nicht wohl sich denken