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oder parlamentarischer Formen wäre, wenn sie nicht Mittel zu
ungesetzlichen, unlogischen oder schädlichen Zwecken, bei Weitem
nicht so wichtig und verwerflich, als man es oft meint. Das
Wesentliche des Constitutionalismus findet sich auch unter sehr
verschiedenen Formen in der Hauptsache so gleich, dass selbst
eine ungültige Nachahmung, wenn sie nichts Anderes ist, doch nur
als Nebensache erscheint. Ist in einem Lande der Constitutionalis-
mus naturgemäss erwachsen und mit dem Volke und dem ge-
sammten Staatsleben verwachsen und im Ganzen erprobt, so muss
man in dem recipirenden Volke, in welchem übrigens der con-
stitutionelle Gedanke lebendig und kräftig geworden ist, dafür
sorgen, dass die Reception seinen Verhältnissen entsprechend
stattfinde und dass auf Grund dessen das Volk für das constitu-
tionelle Leben sich entsprechend ausbilde und ausgebildet werde,
und dass, während in jenem Staate der Constitutionalismus mehr
als das geschichtliche Product der historischen Entwicklung des
Volkes erscheint, er hier zum Mittel für die höhere politische
Entwicklung, d. h. für das auf einem besseren Ausgleich von Frei-
heit und Ordnung beruhende harmonische Gesammtleben werden
könne.
Welches immer die Mängel und Schwächen der constitu-
tionellen oder parlamentarischen Formen und ihrer Anwendungen
sein mögen, relativ, d. h. im Vergleich mit Zuständen, wo sie
mangeln, sind sie stets die Träger einer gesteigerten und besser
geschützten Freiheit. Einzelnen besonders ausgezeichneten Per-
sönlichkeiten auf dem Throne oder der Magistratur gegenüber
mögen sie vielfach als Hindernisse und als materielle Nachtheile
für den Staat betrachtet werden. Aber im grossen Ganzen des
Staatslebens, auf welches es doch ankommt, und in der Erwägung
der thatsächlichen Unmöglichkeit, für die Leitung des Staates
immer nur solche ausgezeichnete Persönlichkeiten zu bestimmen,
muss man anerkennen, dass der Constitutionalismus eine treffliche
staatsgemässe Einrichtung sei. Denn einerseits schliesst er keine