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tung constitutioneller Formen gegeben haben mag (namentlich
der Neubestand der Länder und Völker und die Finanzlage), und
gleichviel, ob diese Einrichtung auf dem Wege einer als Pflicht
erkannten Octroyirung oder einer sog. Pactirung, d. h. eines pflicht-
gemässen Zusammenwirkens von Volkselementen geschah — immer
handelte es sich um die zeitgemässe Verwirklichung jener un-
vertilgbaren Idee, welche wir oben als die Grundidee des Consti-
tutionalismus angegeben haben,
Die früheren Formen zur Verwirklichung dieser Idee führten
in ganz natürlicher Weise dazu, bestimmte Kräfte der politischen
Einheit zu Organen der Mitwirkung bei Eruirung des Gesammt-
willens, welche zugleich eine Art von organisirter Repräsentation
der Freiheit waren, in Anwendung zu bringen. Als solche Kräfte
erscheinen Alter, Erfahrung und Wissen in einem höheren Grade,
besondere Kriegstüchtigkeit, religiöse und sittliche Autorität und
hervorragender Besitz. Unter solchen Verhältnissen pflegt jedes
Mitglied der Repräsentation wieder eine Mehrzahl unter seiner
Führung und Zucht stehender Menschen in Abhängigkeit von
sich zu haben: die Familie, den Stamm, die Gefolgs- und Vasallen-
schaft, die Dienstmannen, Hörigen und Leibeigenen. Bei an-
sässigen Völkern pflegt damit eine gewisse Herrschaft über einen
Theil des Landes verbunden zu sein.
Wiewohl ein solcher Höherer, Herr, von diesen seinen Unter-
gebenen kein Vertretungsmandat haben kann, so findet doch eine
Vertretung derselben statt, insoferne nämlich die Stellung des
Herrn durch sie getragen wird. Geht jener auch nicht aus einer
Wahl als ihr Vertreter hervor, so sind doch Stellung und Inter-
essen des Herrn mit den ihren unauflöslich verwachsen, eine
mächtige Thatsache, welche sich auch in dem Verhältnisse des
Landesherrn zu ihren Ständen vollständig bewährte, wiewohl eine
rechtliche Bestimmung über Regenten- und Unterthanenpflichten,
wie sie sich aus dem Wesen des Staates ergeben, und eine Ab-
grenzung derselben noch fehlte.