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sichtslosere. Es ist nicht nur das Recht der Selbsterhaltung der
Staaten, sondern auch ihre Pflicht gegen die ungeheure Mehrzahl
und die culturellen Zwecke der Andersdenkenden, jene subversiven
Gelüste zunächst durch weise Gewährung dessen, was etwa Be-
rechtigtes ihnen zu Grunde liegt, zu bannen, eventuell aber durch
Wachsamkeit und Energie, nöthigenfalls durch eine internationale
Vereinigung zu diesem Zwecke, darnieder zu halten.
Gerade diesen Rücksichten verdankt ohne Zweifel der mo-
derne Constitutionalismus wesentlich mit seine allgemeine Ein-
führung. Dass er nicht allen Klagen abgeholfen, davon ist die
Ursache theilweise die Natur der Klagen selbst, dann aber die
Unvollkommenheit der Menschen und der menschlichen Einrich-
tungen, auf denen übrigens gerade unsere bisher fortschreitende
oder vervollkommnende Bewegung beruht. Es ist nicht anzu-
nehmen, dass nicht auf dem Wege der Erfahrung und des guten
Willens auch der Gebrauch der constitutionellen Formen ein
besserer werden könne.
XII. Die Einführung des modernen Constitutionalismus hat
scheinbar in den europäischen Staaten unter sehr verschiedenen
Umständen stattgefunden, in Wirklichkeit aber überall unter sehr
kritischen Umständen und übereinstimmend als ein staatserhalten-
der und staatsrettender Ausgleich zwischen den ohne ihn in un-
versöhnlicher Feindschaft einander gegenüberstehenden Ordnungs-
und Freiheitsgegensätzen.
In England durch die Aufrechterhaltung des angelsächsischen
bezw. normannischen Selfgovernements gegenüber den nor-
mannisch-romanistischen absoluten Centralisationsbestrebungen von
langer Hand vorbereitet, durch die fortwährenden Geldverlegen-
heiten der Krone fortgenährt, und in den Kämpfen mit den Tudors
und Stuarts trotz mancher Niederlagen am Ende doch immer
siegreich, in der Magna Charta bereits begründet, findet der Con-
stitutionalismus seinen formell verfassungsmässigen Ausdruck in
der Recktsbill, welche als der Friedensschluss zwischen Krone