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selben, wenn auch mannigfach verschieden, doch insofern die
gleichen sind, dass die innere Einigung viel zu wünschen übrig
lässt, so darf man nicht vergessen, dass jedenfalls in beiden
Reichen die Fortsetzung des absoluten monarchischen Regiments
eine Unmöglichkeit geworden war, und dass man die Ursachen
der mangelnden inneren Einigung nicht im Constitutionalismus,
sondern, was Öestereich angeht, vorzüglich in der mangelnden
Homogeneität seiner Länder und Völker, was Preussen betrifft,
vorherrschend in den scharf ausgebildeten kirchlichen, verfassungs-
rechtlichen und socialen Gegensätzen zu suchen hat.
In den übrigen deutschen Staaten hat der Constitutionalis-
mus wesentlich dazu gedient, ihre Reichsvergangenheit mit der
neuen Lage zu verbinden, ihre in Folge der Kriege mit Frank-
reich eingetretenen Neubildungen einheitlich zusammenzuschmelzen,
die Entwicklung des modernen Staatsgedankens in geordnete
Bahnen zu lenken, den Staatscredit zu begründen, den inneren
Wohlstand und die Sicherheit aller Rechte zu steigern und, was
eine Hauptsache, die Neubildung des Reiches vorzubereiten und
auf gesetzlichem Wege zu begründen.
Unter allen Momenten aber, welche für die zeitgemässe Noth-
wendigkeit des Constitutionalismus sprechen, sind, abgesehen von
der Thatsache, dass er gegenwärtig das einzige Mittel für die
Darstellung einer, wie gezeigt, allgemeinen und ewigen mensch-
lichen Idee ist, diejenigen die gewichtigsten, welche nicht nur
die aus Revolutionen hervorgegangenen neueren und neuesten
Staatenbildungen, sondern auch manche uralte, unserer Oultur fern-
stehende staatliche Gebilde, ja sogar wilde und halbwilde Völker
uns darbieten.
Jene ersteren Staaten, wie Griechenland, Belgien, Italien,
Rumänien, Serbien, Bulgarien, sind alle ebenso mit Zustimmung
der betreffenden Völker, wie mit dem Beifall der europäischen
Staaten constitutionelle Staaten geworden. Sie alle waren in der
Lage, es wohl auch mit der Republik versuchen zu können; sie
Archiv für öffentliches Recht. VII. 1. 10