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vom Standpunkte der Gleichberechtigung, und des confessionellen Friedens
aus nicht zu wünschen. Es gibt für den Staat höhere Interessen, aus denen
er eins der sogenannten Grundrechte einschränken kann, der Grundrechte,
die doch juristisch nur Selbstbeschränkungen der Staatsgewalt sind. Genau
so wie der Staat aus Gesammtheitsinteressen in die Freiheit des Eigenthums
eingreift, so auch in die Freiheit des Gewissens und des elterlichen Er-
ziehungsrechtes. Ein freies elterliches Erziehungsrecht erkennt überhaupt
kein Culturstaat mehr an und kann es nicht anerkennen. So ist es für ihn
erst recht nicht gleichgültig, in welcher religiösen Ueberzeugung seine Staats-
bürger aufwachsen. Eine Beschränkung ist also immerhin geboten und
schon dadurch gegeben, dass die Kinder zum Besuche des staatlichen Schul-
unterrichtes gezwungen werden. Warum nun nicht auch das Bestimmungs-
recht der Eltern soll eingeengt werden können, ist nicht einzusehen. Denn
den principiellen Standpunkt des Verf., dass der Staat überhaupt keine Vor-
schriften über religiöse Erziehung treffen dürfe, wird wohl Niemand theilen.
SCHMIDT ist der Ansicht, dass die bestehenden Landesgesetze mehr oder
minder „auf der falschen Theorie des Staatskirchenthums beruhen“. Wenn
er aber einige Zeilen vorher dem paritätischen Staate die Aufgabe zuspricht,
„die Eltern bezüglich der religiösen Erziehung ihrer Kinder unbehelligt zu
lassen und unberechtigte Eingriffe von Seiten Dritter abzuwehren“, so muss
der Staat das Letztere doch durch Vorschriften thun und diese betreffen
dann doch die Religion. Wie steht es neben dem freien elterlichen Er-
ziehungsrecht, welches Schmipt vorschlägt, mit den Verträgen der Eltern
über die Confession? ScHamipr entscheidet sich zwar für die Gültigkeit solcher
Verträge, dieselben sollen aber für das staatliche Gebiet nicht erzwingbar
sein. Liegt aber nicht darin ebenfalls eine Beschränkung der elterlichen
Bestimmungsfreiheit, selbst wenn der Zwang nur ein moralischer oder auf
kirchlichem Gebiete durchführbarer sein sollte? Wenn der Staat also das
Verbot solcher Verträge aufstellt, beschränkt er die elterliche Freiheit nicht
nur, sondern er befestigt siegerade und schützt sie. Dann aber haben wir sofort
eine besondere Bestimmung über Kindererziehung. Der Vorschlag des Verf.
erscheint somit politisch und juristisch bedenklich. Ganz im Gegensatze
zum Verf. finden wir es durchaus gerechtfertigt, die Frage der religiösen
Erziehung aus dem Rahmen des allgemeinen Erziehungsrechts herauszuheben
und unter besondere Bestimmungen zu stellen. Denn diese Frage ist eben
nicht lediglich eine Frage der Erziehung. So ist dieselbe bisher in den
deutschen Staaten behandelt worden — die Bestimmungen stehen in Bayern
z. B. in der II. Verf. Beilage — so wird sie auch in Zukunft behandelt
werden müssen und — davon sind wir fest überzeugt — auch behandelt
werden.
Erlangen. E. Sehling.