Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebenter Band. (7)

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vom Standpunkte der Gleichberechtigung, und des confessionellen Friedens 
aus nicht zu wünschen. Es gibt für den Staat höhere Interessen, aus denen 
er eins der sogenannten Grundrechte einschränken kann, der Grundrechte, 
die doch juristisch nur Selbstbeschränkungen der Staatsgewalt sind. Genau 
so wie der Staat aus Gesammtheitsinteressen in die Freiheit des Eigenthums 
eingreift, so auch in die Freiheit des Gewissens und des elterlichen Er- 
ziehungsrechtes. Ein freies elterliches Erziehungsrecht erkennt überhaupt 
kein Culturstaat mehr an und kann es nicht anerkennen. So ist es für ihn 
erst recht nicht gleichgültig, in welcher religiösen Ueberzeugung seine Staats- 
bürger aufwachsen. Eine Beschränkung ist also immerhin geboten und 
schon dadurch gegeben, dass die Kinder zum Besuche des staatlichen Schul- 
unterrichtes gezwungen werden. Warum nun nicht auch das Bestimmungs- 
recht der Eltern soll eingeengt werden können, ist nicht einzusehen. Denn 
den principiellen Standpunkt des Verf., dass der Staat überhaupt keine Vor- 
schriften über religiöse Erziehung treffen dürfe, wird wohl Niemand theilen. 
SCHMIDT ist der Ansicht, dass die bestehenden Landesgesetze mehr oder 
minder „auf der falschen Theorie des Staatskirchenthums beruhen“. Wenn 
er aber einige Zeilen vorher dem paritätischen Staate die Aufgabe zuspricht, 
„die Eltern bezüglich der religiösen Erziehung ihrer Kinder unbehelligt zu 
lassen und unberechtigte Eingriffe von Seiten Dritter abzuwehren“, so muss 
der Staat das Letztere doch durch Vorschriften thun und diese betreffen 
dann doch die Religion. Wie steht es neben dem freien elterlichen Er- 
ziehungsrecht, welches Schmipt vorschlägt, mit den Verträgen der Eltern 
über die Confession? ScHamipr entscheidet sich zwar für die Gültigkeit solcher 
Verträge, dieselben sollen aber für das staatliche Gebiet nicht erzwingbar 
sein. Liegt aber nicht darin ebenfalls eine Beschränkung der elterlichen 
Bestimmungsfreiheit, selbst wenn der Zwang nur ein moralischer oder auf 
kirchlichem Gebiete durchführbarer sein sollte? Wenn der Staat also das 
Verbot solcher Verträge aufstellt, beschränkt er die elterliche Freiheit nicht 
nur, sondern er befestigt siegerade und schützt sie. Dann aber haben wir sofort 
eine besondere Bestimmung über Kindererziehung. Der Vorschlag des Verf. 
erscheint somit politisch und juristisch bedenklich. Ganz im Gegensatze 
zum Verf. finden wir es durchaus gerechtfertigt, die Frage der religiösen 
Erziehung aus dem Rahmen des allgemeinen Erziehungsrechts herauszuheben 
und unter besondere Bestimmungen zu stellen. Denn diese Frage ist eben 
nicht lediglich eine Frage der Erziehung. So ist dieselbe bisher in den 
deutschen Staaten behandelt worden — die Bestimmungen stehen in Bayern 
z. B. in der II. Verf. Beilage — so wird sie auch in Zukunft behandelt 
werden müssen und — davon sind wir fest überzeugt — auch behandelt 
werden. 
Erlangen. E. Sehling.
	        
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