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einzelnen Zeitperiode erlangt hat. Am Schlusse wird dann regelmässig der
juristische Begriff der Religionsfreiheit für die betreffende Periode scharf
definirt. Diese Behandlungsweise gewährt den Vortheil einer grossen Klar-
heit, indem die leitenden Hauptgesichtspunkte niemals über dem Detail der
Darstellung verloren gehen.
Während man den ersten beiden Kapiteln (bis 1648), die sich wesent-
lich auf dem Boden des Reichsrechts halten, durchaus zustimmen kann,
ist die Behandlung der Periode von 1648 bis 1806 auf S. 74—83 doch wohl
etwas zu dürftig ausgefallen. Der Schwerpunkt der Rechtsentwicklung wird
hier vom Reiche in die Territorien verlegt. Vom Standpunkte des Reichs-
rechts erscheint daher die Entwicklung als eine stagnirende, während das
Territorialrecht in kräftiger Fortbildung begriffen ist und die Grundlagen
für unsere heutigen Zustände gelegt hat. Der Verf. beschränkt sich im
wesentlichen auf eine Reproduction der landrechtlichen Bestimmungen,
während diese doch nur das Endglied einer territorialen Rechtsentwicklung
mehrerer Menschenalter sind. Die Idee des Territorialsystems bei Tmomasıus
und J. H. Böhmer, ihr Einfluss auf die Verwaltungspraxis zunächst in Schlesien
und Westpreussen und demnächst auf die landrechtliche Codification hätte
unbedingt Berücksichtigung finden müssen. Ref. kann hier im übrigen auf
M. Lenmann, Preussen und die katholische Kirche, und auf seine eigenen
Ausführungen Gesch. des preuss. Verwaltungsrechts Bd. 2, S. 265 ff., Archiv
f. öffentl. Recht Bd. 4, S. 115 ff. und Preuss. Staatsrecht Bd. 3, S. 613 ff.
verweisen. Bei ausgiebigerer Behandlung des Rechts des 18. Jahrhunderts,
das zum Theil noch jetzt gilt, jedenfalls in seinen Wirkungen sich noch in
sehr intensiver Weise für die Gegenwart geltend macht, hätte Verf. seine
Arbeit auch für das heutige Recht nutzbar machen und historische Erklä-
rungen für manche sonst schwer begreifliche Erscheinungen desselben — ich
erinnere nur an den Begriff der öffentlich aufgenommenen Religionsgesell-
schaften — finden können.
Dass die Bestimmung der revidirten Städteordnung von 1831 in Preussen,
wonach Juden nicht Bürgermeister oder Oberbürgermeister werden konnten,
die Rechtsstellung der Juden über das Edikt von 1812 hinaus eingeschränkt
und somit der Bundesakte widersprochen habe, ist rein formell richtig, ent-
spricht aber kaum den thatsächlichen Verhältnissen. Das Edikt von 1812
galt nur in den nach dem Tilsiter Frieden Preussen verbliebenen Gebieten,
die revidirte Städteordnung von 1831 aber abgesehen von drei kleinen
Städten nur in 1815 neu oder wiedergewonnenen Gebieten. Beide Gesetze
haben also ein verschiedenes territoriales Geltungsgebiet.
Die landrechtliche Vorschrift, dass alle Religionsgesellschaften ihren
Mitgliedern Ehrfurcht gegen die Gottheit einzuflössen verpflichtet sind,
dürfte entgegen der Ansicht des Verf. S. 219 durch die in der Verfassungs-
urkunde garantirte Freiheit der Bildung von Religionsgemeinschaften für
aufgehoben zu erachten sein. Ref. ist jedenfalls der letzte, der sich für