Das Gnadenrecht in Finanzsachen nach
preussischem Recht.
Von
LABAND.
I.
Der Ausdruck „Begnadigung“ wird regelmässig nur in Be-
ziehung auf den Erlass einer gerichtlich erkannten Strafe oder
die Niederschlagung einer Strafverfolgung angewendet. In der
That hat die Begnadigung in dieser Beschränkung auf das Straf-
recht sich zu einem besonders gestalteten Rechtsinstitut ausgeprägt,
für welches ein eigener technischer Name erforderlich ist. Es
empfiehlt sich nicht, an diesem Sprachgebrauch zu rütteln und
durch einen ausgedehnteren Sinn des Wortes Begnadigung die
Vorstellung hervorzurufen, als ob gewisse Rechtssätze, welche
nur für die Gnade in Strafsachen Geltung haben, auch auf
anderen Gebieten des Rechts Anwendung finden. Allein anderer-
seits ist es unverkennbar, dass die Gnade ihrem Begriff und
Wesen nach auch ausserhalb des Strafrechts in ausgedehntem
Masse Platz greift und dass sie eine unentbehrliche Ergänzung
des Rechts überhaupt bildet.
Gnade steht im Gegensatz zum Recht, nicht bloss zum
Strafrecht.
Gnade ist die Zuwendung eines Vortheils ohne rechtliche
Verpflichtung (nullo jure cogente). Der Ausdruck wird aber nur
in solchen Fällen gebraucht, in welchen ein Herrschaftsverhältniss
Archiv für öffentliches Recht. VII. 2. 12