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Belieben des Monarchen abhängig war, als Gnade zu be-
zeichnen ?).
Die Gnade durchzieht das ganze Gebiet des staatlichen
Lebens; sie ist die stete Begleiterin des öffentlichen Rechts, um
seine Härten zu mildern. Zu ihrem Begriffe gehören nur die
zwei Merkmale, dass der Akt eine Gunst ist, d. h. nicht als
Gewährung eines rechtsbegründeten Anspruchs sich darstellt, und
dass er vom Träger der Staatsgewalt, in der Monarchie vom
Landesherrn selbst oder einem dazu speziell ermächtigten Ver-
treter ausgeht, nicht von einer Behörde in Ausübung ihrer gesetz-
lichen Zuständigkeit.
Von praktischer Bedeutung sind ausser dem Begnadigungs-
recht in Strafsachen vorzugsweise die Gnadenakte finanziellen
Inhalts; nur sie bilden den Gegenstand einer schwierigen Streit-
frage, welcher neben ihrer staatsrechtlichen Bedeutung eine hohe
politische Wichtigkeit zukommt, da ihre Lösung auf das Macht-
verhältniss zwischen Krone und Volksvertretung von Einfluss ist.
Die nachfolgenden Erörterungen werden sich daher auf diese
Frage und zwar nach dem positiven Rechte Preussens beschränken.
Die Frage ist in neuester Zeit in Folge eines speziellen Falles
sowohl im preussischen Abgeordnetenhause (Sitzung vom 21. Januar
1891. Stenograph. Berichte 8. 413 f.) als auch in der Litteratur
mehrfach erörtert worden. Ich stelle zunächst diese Litteratur
hier zusammen:
JoEL, Die justificirenden Kabinets-Ordres. In Hirth’s Annalen
1888, 8. 805 ff.
Derselbe, Der gnadenweise Erlass von Steuern und Stem-
peln. Ebenda 1891, S. 417 ft.
ARNDT im Deutschen Wochenblatt 1890, 8. 610 ff.
2?) Aus der älteren Litteratur ist namentlich bekannt die Abhandlung
Jon. Jac. Moser, Von der Landeshoheit in Gnadensachen, 1773. Dieselbe
umfasst alle Arten von Gnadensachen im Sinne jener Zeit, ist aber äusserst
oberflächlich und von sehr geringem wissenschaftlichen Werth.