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für einen konkreten Vertrag die Genehmigung des Landtages
nachgesucht und erhalten hat; auch in diesem Falle muss die
einseitige Abänderung des Vertrages zum Nachtheil des Fiskus
im Gnadenwege als ausgeschlossen erachtet werden.
V.
Die auf staatsrechtlichen Gründen beruhenden Einnahmen,
unter denen Steuern, Abgaben und Gebühren vorzugsweise von
praktischer Bedeutung sind, unterscheiden sich von den privat-
rechtlichen Ansprüchen des Fiskus in sehr wesentlicher Weise
dadurch, dass die Rechtssätze, auf welchen sie beruhen, jus cogens
sind. Die Steuergesetze begründen für die Behörden nicht nur
die Befugniss, sondern auch die Pflicht zur Erhebung der Steuer;
sie ordnen nicht nur an, dass der Einzelne zur Steuerentrichtung
veranlagt, dass seine Verpflichtung zur Zahlung eines bestimmten
Betrages festgestellt, sondern auch dass der Steuerbetrag zur
Staatskasse eingezogen wird. Die Finanzgesetze gleichen in dieser
Beziehung den Strafgesetzen, deren Inhalt auch nicht darauf be-
schränkt ist, dass der Verbrecher zu einer Strafe verurtheilt
werden soll, sondern welehe zugleich vorschreiben, dass er wirk-
lich bestraft werde. Deshalb hat der gnadenweise Erlass von
Steuern, Abgaben und Gebühren eine besonders grosse Aehnlich-
keit mit dem Begnadigungsrecht auf dem Gebiete des Strafrechts,
während der gnadenweise Erlass von fiskalischen Privatforderungen
eine innere Verwandtschaft mit Freigebigkeiten von Privatpersonen
hat. Da jeder gnadenweise Erlass eines Steuer- oder Abgaben-
betrages wie der gnadenweise Erlass von Strafen die Ausführung
einer gesetzlichen Anordnung im einzelnen Falle verhindert, so
ist das Verhältniss des Gnadenrechts zur Gesetzgebung hier ein
ganz anderes wie in den bisher erörterten Fällen der Gnaden-
bewilligungen aus etatsmässigen Dispositionsfonds oder der —
rechtlich fakultativen — Verzichtleistung auf einen privatrecht-
lichen Anspruch des Fiskus.