Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebenter Band. (7)

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Dass ein praktisches Bedürfniss zu Gnadenerlassen auch auf 
dem Gebiet der Steuer- und Gebührenerhebung vorhanden ist, 
dass unter Umständen die Erhebung einer Erbschaftssteuer eine 
ebenso unbillige Härte in sich schliessen kann wie die Geltend- 
machung eines fiskalischen Erbrechts!) und die gnadenweise 
Niederschlagung von Gerichtskosten durch Billigkeitsrücksichten 
ebenso gerechtfertigt sein kann wie der gnadenweise Erlass einer 
Geldstrafe '5), bedarf keiner Ausführung. Dies ist aber bei einer 
juristischen Erörterung des positiven Rechts nicht von entschei- 
dender Bedeutung. Denn wenn sich ergiebt, dass das positive 
Recht ein Gnadenrecht in Steuersachen nicht kennt, so würde 
die Konstatirung des Bedürfnisses hieran nichts ändern, sondern 
nur de lege ferenda das Verlangen auf Abänderung des bestehen- 
den Rechts behufs Befriedigung dieses Bedürfnisses rechtfertigen 
und es ist nicht zu verkennen, dass dies auf verschiedenen 
Wegen geschehen könnte. Immerhin ist die Erkenntniss, dass 
die Möglichkeit, Steuern und Gebühren im Wege der Gnade zu 
erlassen, einem thatsächlich vorhandenen, durch die staatlichen 
und wirthschaftlichen Lebensverhältnisse begründeten Bedürfniss 
entspricht, für die Auslegung des positiven Rechts nicht ganz 
unerheblich, indem man es wenigstens als wahrscheinlich an- 
nehmen darf, dass der Gesetzgeber ein solches Bedürfniss be- 
rücksichtigt habe. 
Thatsächlich ist es nun ganz zweifellos, dass vor Einführung 
der Verfassung der König auch in Steuer- und Gebührensachen 
das unbeschränkte (nadenrecht gehabt und ausgeübt hat. Wenn 
es dafür einer ausdrücklichen Bestätigung überhaupt bedürfte, so 
14) Man denke z. B. an den Fall eines durch Nachlässigkeit verschuldeten 
Eisenbahnunglücks. Hier würde es gewiss dem Rechts- und Billigkeitsgefühl 
nicht entsprechen, wenn der Fiskus von den Hinterbliebenen der Verunglückten 
rücksichtslos die Erbschaftssteuer einziehen würde. 
15) Wenn sich z. B. herausstellt, dass die Verurtheilung auf falschen 
Zeugenaussagen oder auf einer Verwechslung der Person des rechtskräftig 
Verurtheilten mit dem wirklichen Thäter beruht u, dgl.
	        
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