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Die Oberrechnungskammer hat ihre Prüfung nicht bloss darauf
zu erstrecken, ob die Verwaltung des Staates dem Etatsgesetz
gemäss geführt worden ist, sondern auch, ob bei der Erhebung
der Einnahmen und der Leistung der Ausgaben den dafür be-
stehenden Gesetzen gemäss verfahren worden ist.
Dies führt nun zu der weiteren Frage, ob die Oberrechnungs-
kammer gnadenweise Erlasse von Steuern und (Gebühren zu
moniren habe und ob diese Bemerkungen dem Landtage vorzu-
legen sind. Die Beantwortung dieser Frage ist von dem Gnaden-
recht der Krone an sich unabhängig. Auch wenn die un-
beschränkte Fortdauer der Prärogative der Krone und die
1) über einzelne, auf den Hoheits- oder vorbehaltenen Rechten des Staates
oder auf Realverpflichtungen beruhende Einnahmen durch Erlass oder Er-
stattung zu verfügen, 2) kontraktliche Rechte aufzugeben oder kontraktliche
Bestimmungen zum Vortheil von Privatpersonen abzuändern, 3) Defekte nieder-
zuschlagen. Die Motive hierzu (S. 25) bemerken, dass diese Befugniss „zeit-
her nicht in Zweifel gezogen worden ist“. Die Kommission beschloss, diesen
Artikel als überflüssig zu streichen ; in dem Bericht (Drucksachen 1862, Nro. 87,
S. 8 u. S. 46 a. E.) wird aber hervorgehoben, „dass durch die Streichung
des $ 17 das Recht der Krone nicht in Frage gestellt werden sollte“. Zur
Verhandlung im Hause ist der Entwurf nicht gelangt. Vgl. darüber auch
Jo&EL in Hirth’s Annalen 1888, S. 810f. In der Verhandlung über das jetzt
geltende Oberrechnungskammer-Gesetz erklärte der Berichterstatter LAsKER
in der Sitzung vom 15. Febr. 1872 (Stenogr. Berichte 8. 783): „Das Gesetz
ändert Nichts an dem bisherigen Recht der Krone zu Gnadenerlassen; auch
der Streit darüber geht ganz so auf den neuen Zustand über, wie er heutc
besteht.“ In demselben Sinne äusserte sich der Finanzminister CAMPHAUSEN
ebendaselbst S. 788. Vgl. Jo S. 813. Die Kabinets-Ordre vom 25. Aug.
1880 delegirt das Recht zum Erlass der Hausirgewerbesteuer den Behörden
und in dem Bericht der Rechnungskommission, Drucksachen von
1880/81, Nro. 199, S. 9 ff. wird dazu bemerkt, dass das Recht der Krone zu
Steuererlassen in fortdauernder Geltung sei. In vielen Berichten der Rech-
nungskommission werden gnadenweise Erlasse von Zahlungsverpflichtungen
erwähnt, ohne dass das Recht der Krone beanstandet wird. Endlich kann
auch auf die Anerkennung des preuss. Gnadenrechts hingewiesen werden
in den Verhandlungen der Rechnungskommission des Reichstags in
den Drucksachen des d. Reichstages I. Sess. 1890/91, Nro. 463, S. 54, 56, 61.