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Oberrechnungskammer dies zu bemerken und die nachträgliche
Beibringung der justifizirenden Kabinets-Ordre zu verlangen. Durch
den oben bereits erwähnten $ 9 der Instruktion vom 18. Dezember
1824 wird dies bestätigt, indem daselbst vorgeschrieben ist, dass,
wenn Erlasse von Steuern durch Gnadenakte stattfinden, der
Betrag bei dem betreffenden Einnahme-Titel als Minder-Einnahme
nachgewiesen werden soll. Die Oberrechnungskammer hatte Ab-
weichungen der Behörden, aber nicht Abweichungen des Königs
von den bestehenden Vorschriften zu moniren. (Gnadenakte des
Königs waren daher kein Gegenstand der Bemerkungen der
Kammer.
An diesem Verfahren wurde nach Einführung der Verfassungs-
Urkunde nichts geändert und so wie das Gnadenrecht des Königs
fortdauernd auch hinsichtlich der Steuern und Gebühren ausgeübt
wurde, so erachtete auch die Oberrechnungskammer Einnahme-
verzichte dieser Art für gerechtfertigt, wenn die königliche Kabinets-
Ordre beigebracht war. Dem Landtage wurden die Bemerkungen
der Öberrechnungskammer trotz der bestimmten Vorschrift im
Art. 104 der Verf.-Urk. eine lange Reihe von Jahren hindurch
überhaupt nicht vorgelegt; trotzdem aber ertheilten beide Häuser
des Landtages der Regierung die Entlastung. Erst 1862 weigerte
sich die Budgetkommission auf eine sachliche Prüfung der Rech-
nungen einzugehen, bis die verfassungsmässig vorgeschriebene
Vorlegung der Bemerkungen erfolgt sei. Die Regierung erklärte
sich bereit, diesem Verlangen zu willfahren und auf Grund einer
königlichen Instruktion vom 21. Juni 1862 wurden im Jahr 1863 bei
Vorlegung der Rechnungen für 1859, 1860 und 1861 Bemerkungen
der Oberrechnungskammer dem Landtage vorgelegt. Diese Be
merkungen erstreckten sich aber gemäss der erwähnten Instruktion
nur nach drei Richtungen: Etatsüberschreitungen, ausseretats-
mässige noch nicht bewilligte Ausgaben und Abweichungen vom
Staatshaushalts-Etat, d. h. Fondsverwechslungen ®'). Dagegen
1) Vgl. die Erörterungen in meinem Budgetrecht (Berlin 1871) S. 71f.