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nach Erlass dieses Gesetzes ebenso wie vorher durch einen Gnaden-
erlass gedeckt und gegen den Vorwurf einer (fesetzesverletzung
geschützt werden. Hiernach besteht auch für die Oberrechnungs-
kammer keine Veranlassung, solche Fälle zum Gegenstande von
Bemerkungen zu machen.
In diesem Sinne hat auch die Oberrechnungskammer
selbst3°) das Gesetz ausgelegt. In einem Schreiben vom
10. Februar 1875 hat sie den Grundsatz ausgesprochen:
„Eine Abweichung von dem Etat oder dem Gesetz, welche
verfassungsmässig durch die Krone ohne Genehmigung des
Landtages angeordnet werden kann, ist nicht als eine Ab-
weichung im Sinne des $ 18 des Oberrechnungskammer-
(fesetzes anzusehen, ist also nicht Gegenstand der Monitur“ 3”).
Nach diesem Grundsatz ist die Oberrechnungskammer verfahren
und die beiden Häuser des Landtages haben sich bei diesem
Verfahren beruhigt und alljährlich die Entlastung ertheilt.
Der Einwand, dass auch (inadenakte Regierungshandlungen
sind, welche der Gegenzeichnung eines Ministers bedürfen, und
dass der Minister, welcher den Grmnadenerlass gezeichnet hat,
dadurch dem Landtage gegenüber die Verantwortlichkeit über-
nimmt, kann gegen die Richtigkeit dieses Grundsatzes nicht
erhoben werden. Allerdings besteht die parlamentarische Ver-
antwortlichkeit der Minister für Gnadenakte ebenso wie für alle
anderen Regierungshandlungen; aber werden denn alle Regierungs-
handlungen dem Landtage zur Prüfung mitgetheilt? Das wäre
ja ganz unmöglich und ist noch niemals verlangt worden. Die
Tragung der Verantwortlichkeit für einen Verwaltungsakt und
die Mittheilung dieses Aktes an den Landtag zur Kenntnissnahme
®®) Mitgetheilt vom Finanzminister MiquEL in der Sitzung des Abg.-
Hauses vom 21. Jan. 1891. Stenogr. Berichte S. 416. Auch abgedruckt
in Hirth’s Annalen 1891, S. 426.
7) Vgl. auch HrRrTEL, Die preuss. Ober-Rechnungskammer, Ergänzungs-
heft 1890, S. 145.