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Bayern II. Verf.-Beilage $ 98 — soll kein entscheidendes Ge-
wicht bezüglich der Zulässigkeit und der Wirkungen des contrarius
actus gelegt werden.
2. Eine weitere Möglichkeit zur Neubildung, die im engen
Zusammenhange mit der vorhergehenden steht, bietet das freie
Verfügungsrecht des Eigenthümers. Aus den unten näher zu ent-
wickelnden Grundsätzen folgt, dass der Eigenthümer eines Kirchen-
gebäudes — falls er nicht aus privatrechtlichen Titeln gebunden —
über sein Eigenthum frei verfügen, also auch einer zweiten Re-
ligionsgesellschaft den Gottesdienst in seinem Eigenthum ge-
statten kann.
Auf diesen Rechtstitel hin ist z. B. im Jahre 1825 bei Ge-
legenheit der Conversion des Herzogs Ferdinand von Anhalt-Köthen
der katholische Gottesdienst in der reformirten Schlosskapelle zu-
gelassen worden. (Vgl. Arch. f. kathol. Kirchenr. 22, 265.)
Auf diese Weise kann der Staat mehrere Gemeinden an
seinen Kirchen, z. B. Garnisonskirchen, Krankenhauskirchen zum
Simultangebrauch zulassen.
Hınschius weist in einem anderen Zusammenhange mit Recht
auf die schwerwiegenden Bedenken gegen eine andere Auffassung
hin ?5). Die preussische Militärverwaltung hat daher mit vollem
Rechte die im Staatseigenthum befindliche Set. Pantaleonskirche
zu Köln, die bislang zum katholischen und evangelischen Militär-
gottesdienste benutzt wurde, im Jahre 1872 den Altkatholiken
zum Mitgebrauche eingeräumt. In derselben Weise ıst in Baden
und Bayern verfahren worden 3$).
Hınschivus will diese Freiheit des Eigenthümers nur gestatten
dem Staate, den Communen, anderen Corporationen für Kirchen, die
#5) K.R. 4, 379 Anm. 2.
36) Hınschivs K.R. 4, 379 Anm. 3. Hınscaiws gibt der Vermuthung
Raum, dass katholischerseits das Recht des Staates wohl kaum bestritten
sein würde, wenn die Mitbenutzung nicht den Altkatholiken, sondern einer
protestantischen Civilgemeinde gestattet worden wäre. Vgl. genauere An-
gaben Archiv f. k. K.R. 29, 434.