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Der zweite Abschnitt hat eigentlich mit dem Wesen des
Rechts gar nichts mehr zu thun, und ist überhaupt alles eher als
eine rechtswissenschaftliche Erörterung.
Gleich zu Beginn finden wir einige Gemeinplätze entbehr-
lichster Sorte, z. B.: „Nicht genug lässt sich der Werth einsich-
tiger leitender Kreise veranschlagen. Eine gute Gesetzgebung ist
der grösste Staatsschatz, besser und werthvoller als ein wirklicher
Staatsschatz, wie etwa der Staatsschatz im Thurme von Spandau.“
Geschmackvoll ist die letztere Parallele gewiss ebensowenig, wie
sie nöthig ist, um den vorhergegangenen Gedanken richtiger er-
scheinen zu lassen.
Nach weiterer Ausführung des erwähnten Satzes folgt die
bereits citirte Aufstellung, arm und reich seien Rechtsbegriffe.
Ich habe oben schon meine Bedenken gegen diese Anschauung
kundgegeben und bemerke desshalb hier nur, dass man m. E.
ebenso gut sagen könnte, dick und dünn seien Rechtsbegriffe.
Etwas gar zu kühn dürfte auch die Behauptung sein (S. 57):
„Die Gesetzgebung ist der Schöpfer, Schützer und Förderer des
Wohlstandes und Glückes auf Erden.“ Wenn nur das Alles
durch Gesetze bewirkt werden könnte, was HEILINGER ihnen zu-
traut !
Ich stimme dagegen HEILINGER darin bei, dass der Schutz
wohlerworbener Rechte und die nicht rückwirkende Kraft der
Gesetze nicht als allgemeingiltige Axiome zu erachten sind,
wenn sie auch de lege ferenda in den meisten Fällen angezeigt
erscheinen.
Weniger befreunden kann ich mich mit dem „Recht auf
Existenz“, als dessen Phase „das Recht auf Arbeit“ sich dar-
stellen soll (S. 59 und n. 81).
Ich bin der Anschauung, dass man von einem Rechte nicht
sprechen sollte, wo es sich höchstens um ein „Anrecht“ handelt,
d.h. um die Prätension, ein Recht zu erhalten. Daher sollten
insbesondere politische Forderungen nicht als Rechte bezeichnet