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spricht, so hat man sich stets vor Augen zu halten, dass dieselben
niemals Recht zu schaffen im Stande sind und noch weniger das
Recht darstellen oder in sich enthalten: vielmehr setzen sie ent-
weder das Recht als gegeben voraus und bezeichnen also das
Bewusstsein dessen, was Recht bereits ist, oder sie bedeuten
das Gefühl desjenigen, was nach Ansicht der von dem be-
treffenden Gefühl Beherrschten Recht sein soll, also noch nicht
Recht ist.
Ob aber ein Satz zum Rechtssatz wird, dies hängt lediglich
davon ab, ob die Staatsgewalt ihn dazu macht (siehe meine
Schrift „Gewalt und Recht“ 8. 144f.). Richtig ist nur, dass die
„öffentliche Meinung“, bezw. die Anschauungen der „leitenden
Kreise“ allerdings oft massgebend dafür werden, dass gewisse
Sätze als Rechtssätze von der Staatsgewalt aufgestellt werden,
was aber den lediglich formalen und daher formell zu erfassen-
den Rechtsbegriff nicht im Mindesten berührt.
Im Hinblick auf diese allgemeinen Bemerkungen über
AFFOLTER’s Standpunkt kann ich mich über sein Buch kurz
fassen, da es in allen seinen Theilen nur aus Konsequenzen dieses
Standpunkts besteht, dabei freilich auch viel Richtiges enthält,
das nur meist auch wenig neu sein dürfte. Es seien mir daher
nur folgende Glossen noch gestattet.
Den Satz (S. 11): „Die Aufgaben des Staates werden vom
Rechte gesetzt“ kann ich nicht ohne Vorbehalt gut heissen. Es
ist gewiss nicht nöthig und ist auch bei Weitem nicht immer der
Fall, dass staatliche Aufgaben eine rechtliche Normirung erhalten.
Wenn dies aber der Fall ist, so hat diese rechtliche Normirung
lediglich den Zweck, entweder die Erfüllung solcher Aufgaben dem
Belieben der jeweiligen Regierung zu entziehen oder aber die
Art und Weise der Erfüllung der Aufgaben in bindender Weise
zu normiren.
AFFOLTER wendet sich S. 13f. gegen die sog. „Normen-
theorie“, weil „nicht der Imperativ das Ursprüngliche“ sei, „son-