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soll jeder der beiden Schiffsführer dem anderen Schiffe und den
dazu gehörigen Personen zur Abwendung oder Verringerung der
nachtheiligen Folgen des Zusammenstosses den erforderlichen Bei-
stand leisten, soweit er dazu ohne erhebliche Gefahr für das eigene
Schiff und die darauf befindlichen Personen im Stande ist. Hülfe
kann aber nur derjenige wirksam leisten, welcher sicher ist, die
ihm zur Verfügung stehenden Kräfte nicht zur eigenen Rettung
zu bedürfen. Hier rechtfertigt sich also eine Hinausschiebung
oder Beschränkung der im fremden Interesse zu ergreifenden
Massregeln, soweit die eigene Sicherheit dies erfordert. Selbst-
verständlich darf dies keinen Vorwand dafür abgeben, den schul-
digen Beistand zu verweigern, und desshalb ist es nicht gestattet,
den Kollisionsort absichtlich und ohne dringende Veranlassung zu
verlassen. Die Verpflichtung zur Hülfeleistung schliesst vielmehr
die Verbindlichkeit in sich, sich in möglichster Nähe des anderen
Schiffes zu halten, damit sofort nach Beendigung der etwa noth-
wendig gewordenen Besichtigung des eigenen Fahrzeuges alles
gethan werden kann, was zur Erhaltung des fremden Schiffes und
seiner Besatzung wünschenswerth ist?). Und soferne von vorne-
herein gewiss oder auch nur wahrscheinlich ist, dass für ihn selbst
keine Gefahr vorliegt, muss der Schiffer zu Gunsten der Mit-
betheiligten alle Massregeln ergreifen, die in seinen Kräften stehen,
ohne dass eigene geringfügige Beschädigungen eine Verzögerung
zu entschuldigen vermöchte. Denn das Gesetz knüpft seine Aus-
nahmebestimmung an die Voraussetzung einer erheblichen
Gefahr für das eigene Schiff und die darauf befindlichen Per-
sonen. Darin liegt zugleich ein Mass für die den Schiffern auf-
erlegte Verpflichtung, insoferne sie selbst bei eigener Gefährdung
wenigstens noch das leisten müssen, wozu sie im Stande sind.
Eine erhebliche Gefahr ist aber nicht ohne weiteres dann als
vorliegend anzusehen, wenn der Führer des anderen Schiffes durch
4) Entscheid. d. Ober-Seeamts u. s. w. IV, N. 120.