212 VDas denische Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 13.)
Der Reichskanzler legt demselben im Auftrage einen Gesetz-
entwurf vor, nach welchem der Reichstag (nur) mindestens alle zwei
Jahre (statt jährlich) berufen werden muß, die Legislaturperiode
des Reichstags vier (statt drei) Jahre dauert, und das Budget je
für einen Zeitraum von 2 Jahren, doch für jedes Jahr besonders,
festgestellt werden soll. Der Gesetzentwurf lautet:
„An die Stelle der Artikel 13, 24. 69, 72 der Reichsverfassung treten
die folgenden Bestimmungen: Art. 13. Die Berufung des Bundesraths und
des Reichstags findet mindestens alle= zwei Jahre statt, und kann der Bundes-
rath zur Vorbereitung der Arbeiten ohne den Reichstag, letterer aber nicht
ohne den Bundesrath berusfen werden. Art. 24. Die Legislaturperiode des
Reichstags dauert vier Jahre. Zur Auflösung des Reichstags während der-
selben ist ein Beschluß des Bundesraths unter Zustimmung des Kaisers er-
forderlich. Art. 9. Alle Einnahmen und Ausgaben des Reiches müssen für
ledes Jahr veranschlagt und auf den Reichehaushalls-Etat gebracht werden.
Der lehtere wird für einen Zeitraum von zwei Jahren jedoch für jedes Jahr
besonders, vor Beginn der Etatsperiode nach folgenden Grundsätzen durch
ein Gesetz festgestellt. Art. 72. Ueber die Verwendung aller Einnahmen des
Reichs ist durch den Reichslangler dem Bundesrath und dem Reichstag zur
Entlastung für jedes Jahr Rechnung zu legen.“ In den Motiven wird
hervorgehoben: wie auf die Erledigung der Weschifte des Reichstags seither
jast in jedem Jahre der Umstand einen nachtheiligen Einfluß geübt, daß
Aeine Sessionen mit den Sipungsperioden der Landtage zusammentrafen. Das
Verlangen, in dieser Hinsicht der Thätigkeit des Reichstags eine gesicherte
Stellung gegeben zu sehen, ist wiederholt in Reichstagsbeschlüssen zum Aus-
druck gelangt und ale berechtigt anerkannt worden. Der von allen Seiten
getheilte Wunsch, diesem Verlaugen zu entsprechen, ist ein wesentliches Motiv
für die Verlegung des Reichs-Etatsjahres auf den 1. April bis 30. Märgz
gewesen; aber diese Maßnahme ist von dem erwarteten Erfolg nicht begleitet
gewesen, und zwar zum Theil deßhalb nicht, weil einige olncht ber dem
Vorgange des Reiches folgend, gleichfalls den Beginn ihres Elatsjahrs auf
den 1. April festgeseht haben. Eine befriedigendere Ordnung der Vrzhl
nisse kann nur durch eine Aenderung der Reichsverfassung hergestellt 7
Der thawtsöchlichse Grund der erwähnten Mißstände liegt darin, daß
6 die Zeit, in welcher die Bundesstaaten ihre Haushaltsetais ½
oeh E4, mit der Zeit, deren der Reichstag zur Verhandlung über den Reichs-
benhaltsrtals bledarf, sich zu nahe berührten. z# mehren Bundesstaaten,
wie namentlich in Preußen, ist die Etatsperiode ebenfalls wie im Reich eine
einjährige. Um in der Veranschlagung der einzelnen Etalsansäße den ge-
Hebeuen Verhältnissen möglichst nahe zu kommen, macht sich in n Staaten
das Bestreben geltend, die Verhandlungen über den Etat nicht zu frühzeitig
vor dem Beginn der neuen Etatsperiode zum Abschluß zu bringen. Den-
jenigen Staaten gegenüber, welche ihren Etat jetzt jährlich feststellen, wird
mithin auf die Vermeidung des d-migdbememrsn von Reichstags= und Land-
tagsfessionen nur dann mit Sicherheit zu rechnen sein, wenn überall zwei-
jährige Perioden eingeführt werden, aber so, daß diese für das Reich und
die Bundesstaaten nicht in demselben Jahre i * Anfang nehmen. Dann
würde in dem Jahre, in welchem der Reichshaushaltsetat estgesteit n wird,
keine parlamentarische Verhandlung über Landeshaushaltsetats stattfinden,
und umgekehrt. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es einer Aenderung der
gedachten Verfassungsartikel. Was den Artikel 13 betrifft, so fällt, falls der
Etat nicht mehr jährlich festgestellt wird, auch die Nothwendigkeit fort den