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Fall bei Segelschiffen nicht leicht eintreten kann, sondern wohl
nur bei Dampfschiffen. Da solche Fahrzeuge, wie wir gesehen
haben, im Sinne des Gesetzes sich in Fahrt befinden, so sind sie
auch zum Ausweichen verpflichtet, und es wird ihnen hiermit
auch keine unerfüllbare Verbindlichkeit auferlegt, da sie ja jeder-
zeit ihre Fahrt wieder aufnehmen können.
Ueber die Art und Weise des Ausweichens gibt die Ver-
ordnung gleichfalls keine Vorschriften, während die Verordnung
von 1871, welche aber im Uebrigen diesen Gegenstand nicht so
eingehend regelte, wie das jetzige Gesetz, bestimmte, dass die
Ruder beider Schiffe backbord gelegt werden müssten. Hier-
nach wirkten beide zum Ausweichen mit, jetzt dagegen liegt nur
dem einen der betheiligten Fahrzeuge eine entsprechende Thätig-
keit ob, und das andere muss seinen Kurs beibehalten (Art. 22).
Ob dagegen das ausweichende Schiff vor dem anderen (d. h. vor
seinem Bug) oder hinter ihm herumgehen will, ist an sich der Will-
kür seines Führers anheimgestellt. Es gilt aber als fester see-
männischer Grundsatz dass man im Zweifel hinter dem Heck des
(segenseglers herumfährt — und zwar findet dies auch auf Dampf-
schiffe Anwendung — weil der Versuch, vor seinem Bug vorüber-
zukreuzen, leicht zu einem Zusammenstoss führen kann. Es kommt
hierbei jedoch selbstverständlich auf die Entfernung der Schiffe
von einander oder von dem Schnittpunkte ihrer Linien, der Rich-
tung und Stärke des Windes, der Geschwindigkeit der Fahr-
zeuge u. s. w. an, und es kann somit dem sachverständigen Urtheil
des Schiffers überlassen bleiben, welchen Weg er nach den vor-
liegenden Umständen für den angemessensten und sichersten hält.
Täuscht er sich freilich in seiner Schätzung und führt so einen
Zusammenstoss herbei, so kann er sich der Verantwortung für
denselben nicht entziehen. Besonders erschwert ist die Beurthei-
lung der Sachlage in der Nacht und man nimmt desshalb an, dass
man vor einem bei dem Winde liegenden Schiffe, welches mit
Steuerbordhalsen segelt, nur dann mit Backbordhalsen vorüber-