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zu beruhen. Ja es ist gar nicht einmal erforderlich, dass das
überholte Fahrzeug sich vorwärts bewegt, Art. 20 ist vielmehr
auch dann anwendbar, wenn es stillliegt, ohne vor Anker gegangen
zu sein?). Geht ein Schiff, während ein anderes ihm folgt,
hierzu über oder mindert es auch nur seine Geschwindigkeit, so
kann sich hierdurch die Verpflichtung zum Ausweichen verändern.
Der Art. 20 bestimmt nämlich, dass jedes Schiff, einerlei ob
Segelschiff oder Dampfschiff, beim Ueberholen eines anderen dem
letzteren aus dem Wege gehen müsse. Kreuzen sich nun z. B.
die Kurse zweier Dampfschiffe, von denen das voraus befindliche
das andere an seiner Steuerbordseite hat, so ist zunächst nach
Art. 16 das erste verpflichtet zum Ausweichen. Ermässigt es
aber seine Geschwindigkeit bis unter die von dem anderen
Dampfer innegehaltene, so wird dieser zum überholenden Schiffe,
und es geht also die Verpflichtung zum Ausweichen auf ihn
über?*). Ebenso würde es sich verhalten, wenn etwa ein Segel-
schiff durch Einstellung der Fahrt des voraus befindlichen
Dampfers diesen überholte. Beendet ist das Ueberholen erst,
wenn es dem nachfahrenden Schiffe gelingt, sein Heck vor den
Bug des anderen Fahrzeuges zu bringen®®), keineswegs schon
wenn beide sich etwa neben einander befinden, das letzte Schiff
das erste erreicht hat. Art. 20 ist daher bis zu jenem Zeitpunkte
des vollendeten Ueberholens massgebend. Die Verbindlichkeit zum
Ausweichen erweitert sich auch hier zur Verpflichtung, alles zu
thun, wodurch ein Zusammenstoss vermieden werden kann, also
auch zu stoppen und die Fahrt auf kurze Zeit zu unterbrechen ?®).
Es verdient dies besonders hervorgehoben zu werden, weil das
Ueberholen am häufigsten in solchen Meeresgegenden versucht
werden wird, wo ein bestimmtes Ziel, wie eine Hafeneinfahrt,
28) Eintscheid. d. Ober-Seeamts IH, N. 51.
21) Ebenda V, N.50.
35) Ebenda V, N. 51.
2%) Ebenda I, N.43 und 68, V, N.50 und 51.