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man Art. 13 allein für massgebend hält. In den Entscheidungen
der Seeämter nun ist wiederholt die Ansicht vertreten?5), dass
bei einer derartigen Sachlage beide Fahrzeuge die Maschine
stoppen und rückwärts gehen lassen müssten, bis das eine die
Nähe und Kursrichtung des anderen erkennen könne. Dagegen
wird in einem Urtheile des Reichsgerichts®*) das Verhältniss der in
Frage kommenden Vorschriften dahin bestimmt, dass Art. 14—23
nur dann zur Anwendung kämen, wenn das eine Schiff sich in
Sicht des anderen befinde, dass dagegen, so lange diese Vor-
aussetzung nicht gegeben sei, Art. 13 ev. 24 gelten. Dieser letzteren
Ansicht wird zuzustimmen sein. Allerdings kann man, wie bereits
ausgeführt, die Verpflichtung zum Stoppen nicht einfach als eine
Folge der Verbindlichkeit zum Ausweichen ansehen, vielmehr hat
Art. 18 seine selbständige Bedeutung und findet desshalb z. B.
nicht nur auf das zum Ausweichen verpflichtete Fahrzeug, son-
dern, falls die in ihm aufgestellte Bedingung vorliegt, d. h. Ge-
fahr des Zusammenstossens besteht, auch auf das andere betheiligte
Dampfschiff Anwendung. Aber immerhin stehen die Pflichten zum
Ausweichen und zum Stoppen in einem inneren Zusammenhange,
und man darf aus der Stellung des Art. 18 schliessen, dass die
letztere nur da eintreten soll, wo auch die erstere besteht. Hier-
für spricht insbesondere noch folgende Erwägung. Wäre die in
den Entscheidungen der Seeämter vertretene Auffassung richtig,
so wären im Nebel u. s. w. Dampfschiffe verpflichtet, allgemein
nach Art. 13 mit mässiger Geschwindigkeit zu fahren, und weiter,
sobald sie die Annäherung eines anderen Schiffes bemerkten, nach
Art. 18 zu stoppen, bis die thatsächlichen Verhältnisse aufgeklärt
sind. Voraussetzungen dieser letzteren Verbindlichkeit würden
aber nur die Unsichtigkeit der Luft und die durch die Nähe
eines anderen Schiffes in abstracto gegebene Möglichkeit einer
Gefahr des Zusammenstossens sein. Nun umfasste der Art. 16
3°) Eintscheid. d. Ober-Seeamts V, N. 23 und VI, N. 64.
8) Entscheid. in Civilsachen 23, S. 71ff.