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Dampfschiffe handelt, als eingetreten sein würden, wenn gestoppt
und die Maschine auf rückwärts gestellt wäre. Es ist erklärlich,
dass diese verschiedenen Erwägungen die Seeämter zu wider-
sprechenden Entscheidungen geführt haben“). Bei Lösung dieser
Zweifel wird man sich gegenwärtig halten müssen, dass es sich
hier nicht um die Uebertretung strafrechtlicher Normen handelt
und um einen Ausschluss der Strafbarkeit für dieselbe, sondern
um eine Anweisung an den Schifisführer, so zu handeln, dass
auch unter den vorliegenden Verhältnissen der Zweck des Ge-
setzes nach Möglichkeit erreicht wird. Es ist daher m. E. eine
Abweichung von Art. 18 nicht statthaft, wenn nur geringe Wahr-
scheinlichkeit vorhanden ist, dass durch sie der Zusammenstoss
vermieden werden wird, weil es den Absichten des Gesetzgebers
nicht entsprechen würde, um der entfernten Möglichkeit eines
günstigen Erfolges willen die unmittelbar drohende Gefahr zu
vergrössern. Aber umgekehrt kann auch nicht verlangt werden,
dass man eine Schädigung der eigenen und fremden Interessen
ruhig über sich ergehen lasse und nur bemüht sei, diese nach
Kräften abzuschwächen, während nach vernünftigem Ermessen
noch die Aussicht gegeben ist, den Unfall vollständig abzuwenden,
sollte auch bei einem Misslingen des Versuches der eintretende
Schaden ein grösserer werden. Ein sicheres Urtheil darüber,
welches Verhalten im endlichen Erfolge das minder gefährliche
ist, lässt sich unter solchen Verhältnissen überhaupt nicht ge-
winnen, und desshalb muss man jede Massregel als berechtigt
anerkennen, welche unter gewissenhafter Abwägung der beiden
in Betracht kommenden Möglichkeiten die grössere Wahrschein-
lichkeit eines günstigen Erfolges für sich hat.
#) Der Versuch, vor dem Bug des anderen Schiffes vorüberzukommen,
wird für statthaft erklärt I, 191, VI, 55, VI, 91, VIII, 90, vgl. auch VIII, 20
und 22; dagegen sind III, 94, 1V, 109, IX, 62 und das Ober-Seeamt in VIII, 90.