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fach wohl auch festhalten müssen, wenn nicht im Gefolge der einseitigen Be-
obachtung neuer Maximen eine Schädigung der ihnen anvertrauten Interessen
eintreten soll, die eben nur durch Festhalten an traditionellen Anschauungen
verhütet werden konnte. Die Doktrin muss sich, mit anderen Worten gesagt,
die Zwangslage vor Augen halten, in welcher sich die einzelnen Staatsmänner
in so lange befinden, als nicht eine Reformidee durch die Macht der Argu-
mente und der Thatsachen sich zur gemeinsamen Ueberzeugung aller mass-
gebenden Regierungen hindurchgerungen hat. Ein Blick auf die schrittweise
und mühevolle Verwirklichung so mancher anderen glänzenden Reformidee
im internationalen Leben hätte BULMERMCQ eine Ermässigung seiner Forde-
rungen nahelegen sollen. — Von diesen hier angedeuteten Schwächen des
BuULMErRmcoQ’schen Standpunkts hält sich die ausgezeichnete Bearbeitung des
Kriegsrechts durch LuEDER vollkommen frei. Abgesehen von der klaren
Darstellung und erschöpfenden Behandlung erblicke ich den Werth der
Lvueper’schen Arbeit gerade in jener sorgfältigen Betonung des Möglichen,
ohne dass der Verf. der gerade für die Entwicklung des Kriegsrechts so
unerlässlichen Idee des Fortschritts untreu geworden wäre. — Das Seekriegs-
recht und die Neutralität sind von GEFFCKEN behandelt. In beiden Abhand-
lungen nimmt die geschichtliche Entwicklung unser Interesse in Anspruch;
auf ihrer Grundlage kommt die Dogmatik des geltenden Rechts zu voller, über-
zeugender Wirkung. — Den Schluss bildet eine Abhandlung von v. KirRcHEn-
HEIM über die Beendigung des Krieges und das Postliminium. — Eine dankens-
werthe Vervollständigung des Werkes hat SToERK durch das oben bezeichnete
dreifache Register geliefert.
München. E. Ullmann.
F, Meili, Dr., ord. Professor an der Universität Zürich, die Kodifikation
des internationalen Civil- und Handelsrechts. Eine Ma-
terialiensammlung. Leipzig 1891 (Verlag von Duncker und Humblot).
XI und 151 S.
Hugo Preuss, Dr., Das Völkerrecht im Dienste des Wirthschafts-
lebens. (Heft 99/100 der Volkswirthschaftlichen Zeitfragen). Berlin
1891 (Verlag von Leonhard Simion). 64 8.
Mit obiger Schrift erfüllt MeıLı sein Versprechen, welches er in dem
die Zeitschrift für internationales Privat- und Strafrecht einleitenden Auf-
satze gegeben. Sie enthält eine übersichtlich geordnete Zusammenstellung
der wichtigsten Litteratur über jenes Rechtsgebiet; daran schliesst sich in
vier Gruben gegliedert der Gesetzstoff.
Die erste Gruppe vereinigt die in Kraft stehenden Normen über das
internationale Privatrecht fast aller Kulturstaaten; doch enthält sie im
Widerspruch mit ihrer Ueberschrift neben geltendem Recht auch Gesetzes-
vorschläge. Unter der Rubrik „Die deutsche Reichsgesetzgebung“ weist MeıLı
darauf hin, dass in die erste Lesung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetz-