Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebenter Band. (7)

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Im Eingang sucht er den Nachweis zu führen, dass, wie für das innen- 
staatliche Recht, so auch für das Völkerrecht der Zwang der wirthschaftlichen 
Bedürfnisse das fortbildende und ausgestaltende Element sei. Zwar fehle 
dem Völkerrecht noch die zusammenfassende Organisation, aber die inter- 
nationalen Kommissionen seien als Ansätze dazu anzusehen. Die Ausbildung 
dieses Rechtsgebietes erfolge nur zum geringsten Theile durch derartige 
Vereinigungen, vielmehr vorwiegend durch inneren Zwang, durch die Kraft 
der wirthschaftlichen Nothwendigkeit. Die Versuche seien überflüssig, welche 
die dem Völkerrecht thatsächlich fehlende, äussere Zwangsgewalt durch die 
mannigfachen Mittel der internationalen Selbsthülfe ersetzen wollen; sie 
hätten überdies insofern einem falschen Ausgangspunkt, weil internationale 
Selbsthülfe als Ergebniss des Interessengegensatzes und internationales Recht 
als Ergebniss der Interessengemeinschaft Aeusserungen diametral entgegen- 
gesetzter Prinzipien seien. Die Entwicklung des Völkerrechts vollziehe 
sich nun in der Weise, dass die Gemeinschaft der Interessen sich all- 
mählich erweitere und nach und nach die vorhandenen Gegensätze in den 
Interessen beseitige. Zur näheren Beleuchtung dieses Gedankens berührt 
Prevuss einige wichtige und charakteristische Ereignisse aus der Geschichte 
des Wirthschaftslebens. Dann wendet er sich gegen das Dogma, nach welchen 
Vertrag und Herkommen die Quellen des heutigen Völkerrechts seien. Nach 
den Ausführungen des Verfassers ist der Vertrag nur die einzige, äussere 
Form völkerrechtlicher Satzungen; der eigentliche Ursprung liege in der 
Interessengemeinschaft der vertragschliessenden Parteien. Gleichen Ursprung 
habe das Herkommen, wie an einzelnen Erscheinungen des Handels und 
Verkehrs sich nachweisen lasse. Je mehr sich nun die Völker in ihren 
wirthschaftlichen Interessen nähern, desto ähnlicher werde sich ihr Recht 
gestalten; ja diese Annäherung könne auf gewissen Gebieten eine völlige, 
materielle Identität der Rechtsnorm herbeiführen. 
In diesem Gedankengang etwa bewegt sich die Schrift von Preuss. 
Sie enthält eine Fülle trefflicher Bemerkungen. Sind dieselben auch nicht 
insgesammt neu erdacht, so sind sie doch klar und flüssig niedergeschrieben 
und werden ihre anregende Wirkung gewiss nicht verfehlen. 
Leipzig. Dr. G. Maas. 
Werner v. Melle, Dr., Das Hamburgische Staatsrecht. Hamburg und 
Leipzig (Verlag von Leopold Voss). 1891. 8°. XI u. 295 S. 
Die mit der Begründung des deutschen Reiches erfolgte Konsolidirung 
der staatlichen Verhältnisse hat die deutsche staatsrechtliche Litteratur nach 
allen Richtungen mächtig gefördert. Neben dem vollständig neu erstandenen 
Reichsstaatsrechte hat das Landesstaatsrecht einer Reihe von Einzelstaaten 
neue Bearbeitungen erfahren. Dieselben beschränkten sich jedoch bisher aus 
leicht begreiflichen Gründen auf die grösseren Staaten. Die kleineren Staaten, 
namentlich die in ihrer Verfassung von den monarchischen Staaten wesentlich
	        
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