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Nachweis einer behördlichen Verschuldung bei richterlichen Ver-
fehlungen der fraglichen Art nicht anerkannt wird.
Ueber die sachliche Berechtigung jenes Standpunktes an
dieser Stelle Betrachtungen anzustellen, liegt nicht in der Absicht
des Verfassers. Es genügt für den vorliegenden Zweck, den
factischen Gang der bezüglichen Rechtsentwickelung im Allge-
meinen zu kennzeichnen. Dass mit einer staatlichen Haftpflicht
in diesem beschränkteren Umfange dem practischen Bedürfnisse
bei Weitem nicht genügt war, konnte den Factoren der öster-
reichischen Gesetzgebung nicht lange verborgen bleiben, da gerade
die Missgriffe der Strafjustiz den Betheiligten besonders schwer
treffen, eine Abhülfe im Regresswege aber hier bei dem Verlangen
des Nachweises einer amtlichen Pflichtwidrigkeit nur höchst selten
zu erlangen sein wird. Die Bestrebungen der österreichischen
Parlamentarier sind daher denn auch schon seit längerer Zeit auf
eine Verbesserung des bisherigen Rechtszustandes gerichtet, und
die neueste Phase der österreichischen Rechtsentwickelung wird
höchst wahrscheinlich in der allernächsten Zeit den gewünschten
Erfolg bringen. Der oben erwähnte Gesetzentwurf, welcher zu-
gleich auch das Verfahren in ausführlicher Weise regelt, ist nach
Durchberathung in der Commission bereits in dritter Lesung von
dem österreichischen Abgeordnetenhause angenommen worden und
für die Zustimmung des Herrenhauses ist begründete Aussicht
vorhanden.
Der Entwurf zerfällt in 20 Paragraphen, deren wichtigster
der Eingangsparagraph ist. Der letztere lautet:
„Wer eine Strafe ganz oder theilweise abgebüsst hat, die
ihm durch gerichtliches Urtheil wegen einer nach der Straf-
prozessordnung zu verfolgenden strafbaren Handlung zuerkannt
wurde, kann, wenn auf Grund der Wiederaufnahme des Straf-
verfahrens die Einstellung des Verfahrens oder die endgültige
Zurückweisung der erhobenen Anklage, die Freisprechung oder
die Anwendung eines milderen Strafgesetzes erfolgt, für die