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zweierlei, einmal die wie immer geartete Ordnung eines Staates
und zweitens die Selbstbeschränkung der bisher absoluten monar-
chischen Staatsgewalt bei Ausübung der staatlichen Functionen.
Die Begründung der Bundesverfassung habe sich nun in der Weise
vollzogen, dass zuerst die neue Staatsgewalt factisch ins Leben
trat, dann aber sich sofort — wozu sich ihre Factoren erst ver-
tragsmässig unter sich, dann jeder einzelne gesetzlich verpflichtet
hatte — constitutionell beschränkte. Die Bundesverfassung sei
demnach thatsächlich mit, staatsrechtlich sofort nach Errichtung
des Bundesstaates als Gesetz octroyirt worden.
Endlich wird geltend gemacht?), die Entstehung des Staates
und seine erste Verfassung sei überhaupt nicht juristisch erklärbar,
da sie als Quelle der Rechtsordnung nicht aus dieser abgeleitet
werden könnten. Die Entstehung des deutschen Bundesstaates
würde hiernach eine juristisch ebenso unfassbare historische That-
sache sein wie die Entstehung des Staates überhaupt.
Bei Erörterung der staatsrechtlichen Bedeutung der Bundes-
staatsgründung ist auszugehen von der über jeden Zweifel er-
habenen historischen Thatsache, dass die deutschen Staaten mit
Auflösung des deutschen Bundes völlig souveräne und von ein-
ander unabhängige Gemeinwesen waren. Wenn durch fortbestehende
völkerrechtliche Verträge die Ausübung ihrer Hoheitsrechte in
dder einen oder der anderen Richtung Beschränkungen unterlag,
so blieb doch dadurch ihr eigenes und ausschliessliches Recht
auf sämmtliche Hoheitsrechte (positive Souveränetät) und ihre
Unabhängigkeit von jeder höheren staatlichen Gewalt (negative
Souveränetät) unberührt. Die souveränen Staaten Norddeutsch-
lands verpflichteten sich in dem Augustbündnisse zur Herstellung
einer Bundesverfassung auf bestimmten Grundlagen und auf be-
stimmtem Wege, die souveränen süddeutschen Staaten zum Ein-
9) JELLINEK, Die Lehre von den Staatenverbindungen, Wien 1882,
S. 253 ff.; LIEBE in der Ztschr. für die gesammte Staatswissenschaft Bd. 38
(1882), S. 684 ff.; O. Mxser, Einleitung in das deutsche Staatsrecht, S. 301.