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rechtlich absolut nicht berührt. Politisch ist es gewiss eine für
jeden deutschen Reichsangehörigen ausserordentlich wichtige Folge
des deutsch-Österreichischen Bündnisses, dass jeder Angriff Russ-
lands auf die österreichisch-ungarische Monarchie die Kriegs-
erklärung Deutschlands an Russland zur Folge hat. Rechtlich
ist diese Thatsache dem deutschen Reichsangehörigen gleichgültig.
Er gehorcht, wenn der Casus foederis eingetreten ist, nicht einer
Bestimmung des Bündnissvertrages, sondern derjenigen Anordnung
der deutschen Staatsgewalt, zu deren Erlasse diese sich vertrags-
mässig ' verpflichtet hatte. Die Reichsverfassung als ein völker-
rechtlicher Vertrag könnte gleichfalls kein objectives Recht, sondern
nur die Constituirung wechselseitiger subjectivrer Rechte und
Pflichten unter den deutschen Bundesstaaten enthalten. Dies ist
aber nicht der Fall. Die Nebeneinanderstellung weniger Ver-
fassungsartikel, wie sie nach dem Vertragsprincipe lauten müssten,
und wie sie wirklich lauten, wird zum Beweise dieser Behauptung
genügen.
Hätte das Reich nur den Charakter eines völkerrechtlichen
Verbandes, so wäre die gemeinsame (Gresetzgebung nur in der
Weise auszuüben, dass jeder Staat sich verpflichtet, für sich den
Beschlüssen der Bundesorgane entsprechende Gesetze in seinem
(rebiete zu erlassen und zu publiciren. Dagegen übt nach Art. 2
der Reichsverfassung das Reich das Recht der Gesetzgebung
clerart, dass Reichsgesetze den Landesgesetzen vorgehen und durch
ihre Publication von Reichswegen Verbindlichkeit erlangen. In
einem völkerrechtlichen Vertrage könnte sich höchstens jeder
;ontrahent verpflichten, die Unterthanen des anderen contrahiren-
den Staates gleich seinen eigenen zu behandeln. Nach Art. 3
der Reichsverfassung geniesst aber schon vermöge des dort aus-
gesprochenen gemeinsamen Indigenats jeder Angehörige des einen
Bundesstaates in jedem anderen die Rechte des Inländers. Für
die Wahl des Reichstages wird nicht wie in dem Augustbündnisse
auf Anordnungen der Regierungen verwiesen, die einen bestimmten