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CALHOUN seinen glänzendsten politischen und juristischen Ver-
treter fand.
Aber auch der Auffassung der Reichsverfassung als eines
völkerrechtlichen Vertrages für die Staaten, als eines Landes-
gesetzes für deren Unterthanen steht der Inhalt der Reichs-
verfassung entgegen.
Unzutreffend ist es allerdings, schon um desswillen den
Charakter der Reichsverfassung als eines übereinstimmenden
Landesgesetzes der verbündeten Staaten zu leugnen, weil ein
Landesgesetz nur der Herrschaft des Einzelstaates unterworfene
Materien regeln könne, die Reichsverfassung dagegen die Üo-
existenzverhältnisse verschiedener Staaten zum Gegenstand habe.
Denn die Reichsverfassung soll ja Landesgesetz nur soweit sein,
als das Verhältniss zu den Unterthanen des einzelnen Staates in
Betracht kommt. Soweit dagegen die Reichsverfassung die Co-
existenzverhältnisse verschiedener Staaten regelt, würde ihre ver-
bindliche Kraft auf ihrem völkerrechtlichen Charakter als Vertrag
beruhen und, wenn diese Bestimmungen gleichfalls als Landes-
gesetz genehmigt und publicirt wurden, so würde es sich um
einen unverbindlichen Gesetzesinhalt handeln, wie bindend auch
immer der Vertrag sein mag.
Auch der Umstand kann nicht als entscheidend ins Gewicht
fallen, dass das Reich souverän sei, weil es seine eigene Competenz
und damit die der Einzelstaaten bestimme, und dass es um dess-
willen Träger eigener, von denen der Einzelstaaten verschiedener
Herrschaftsrechte sein müsse’). Denn einmal bestimmt das
Reich gar nicht seine Competenz in souveräner Weise (Veto
Preussens bei allen Verfassungsänderungen, Reservatrechte).
Ausserdem schliesst aber die Souveränetät des Reiches in seiner
Herrschaftssphäre die der Einzelstaaten in der ihrigen nicht aus'®).
15) Vgl. LaBann a. a. O. Bd. 1, S. 83 ff.
16) Vgl. darüber die Ausführungen in meinem Preussischen Staatsrechte,
Bd. 1,8 11.
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