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Rechtspersönlichkeit bildet, dass es ein eigenes Herrschaftsrecht
besitzt.
Allerdings könnte man einwenden, wie jeder Staat die wesent-
lichen Formen seiner Willenserklärungen zu bestimmen berechtigt
sei, so hätten sämmtliche deutsche Staaten als gemeinsame Organe
zur Abgabe ihres individuellen Staatswillens die Factoren der
Reichsgewalt bestellt. Nicht aufgegeben sei daher das Recht zu
wollen innerhalb der Reichscompetenz für den einzelnen Staat,
sondern nur in der Ausübung an besondere Formen gebunden.
Allein die Preisgabe der eigenen Willensmacht erfolgt doch hier
zu Gunsten von Organen, die zum grössten Theile ausserhalb des
Herrschaftsbereiches und Machteinflusses des einzelnen Staates sich
befinden und desshalb für ihn fremde sind. Wenn auch jeder
Staat seine Vertreter im Bundesrathe instruiren kann, so wird
doch damit noch keineswegs die ganze Körperschaft zu einem
einzelstaatlichen Organe. Bezüglich des Reichstages wird über-
dies in Art. 29 der Reichsverfassung ausdrücklich ausgesprochen,
dass seine Mitglieder Vertreter des ganzen Volkes sind, und da-
mit der Auffassung, als wäre der Reichstag nur eine gemeinsame
Volksvertretung der deutschen Einzelstaaten, jeder Boden ent-
zogen. Der Einzelstaat hat desshalb durch Annahme der Reichs-
verfassung nicht die Formen und Organe für die Erklärung seines
eigenen Willens bestimmt, sondern seiner Willensmacht, soweit
die Reichscompetenz reicht, sich entäussert zu Gunsten der
Reichsorgane. Darin liegt aber die Uonstituirung einer besonderen,
von den Einzelstaaten verschiedenen Staatspersönlichkeit.
4. Endlich kann es Reichsangehörige geben, welche nicht
Angehörige eines deutschen Staates sind. Die Annahme einer
solchen Reichsangehörigkeit ohne Staatsangehörigkeit ist für Elsass-
Lothringen allerdings abhängig von dem Nachweise, dass Elsass-
Lothringen kein Staat ist, und dieser Nachweis würde an dieser
Stelle zu weit führen. Zweifellos ist dagegen die Rechtslage für
die Schutzgebiete, in denen nach dem Gesetze vom 15. März 1888