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in die bis dahin einzelstaatlichen Rechte zu sichern. Die zur
Existenz gelangende Bundesstaatsgewalt sollte in keinem Einzel-
staate dessen Hoheitsrechte gegen seinen Willen in Besitz nehmen,
sondern dem Einzelstaate in dieselben in einer vom Standpunkte
des bisherigen einzelstaatlichen Rechtes legalen Weise succediren.
Desshalb mussten die übereinstimmenden Landesverfassungsgesetze
ergehen, um die vom Standpunkte des neuen Bundesrechtes
zweifellos legale Wirksamkeit der Bundesstaatsgewalt auch vom
Standpunkte der bis dahin allein geltenden Rechtsordnung der
Einzelstaaten zu legitimiren.
Indem die übereinstimmenden Landesverfassungsgesetze der
norddeutschen Staaten publicirt wurden mit dem Bemerken, dass
sie vom 1. Juli 1867 ab in Wirksamkeit treten sollten, hatten
die Einzelstaaten ihrerseits alles gethan, um die Entstehung des
Bundestaates und seine Wirksamkeit ohne Verletzung des gel-
tenden Rechtes zu ermöglichen. Nachdem auf diese Weise der
Bundesstaat die rechtliche Möglichkeit seiner Existenz erlangt
hatte, kam er mit dem 1. Juli 1867 zur Entstehung unter den
Bedingungen, unter denen die Einzelstaaten ihm —- zuerst ver-
tragsmässig unter einander und demnächst gesetzlich jeder für
sein Staatsgebiet — eine Wirksamkeit gestattet hatten, d. h. mit
der unter den deutschen Staaten vereinbarten und in den über-
einstimmenden Landesgesetzen enthaltenen Bundesverfassung.
Die Entstehung des norddeutschen Bundes war ebenso wenig
ein Rechtsact, wie die Entstehung des Staates überhaupt ein
solcher sein kann. Denn wie das Recht nur innerhalb des Staates
oder durch denselben zur Geltung zu gelangen vermag, und dess-
halb ein vorstaatliches Recht, auf dem die Existenz des Staates
beruht, ein Ding der Unmöglichkeit ist, so kann es auch eine
bundesstaatliche Verfassung als solche nicht vor dem Bundesstaate
geben, und der Bundesstaat nicht ein Erzeugniss einzelstaatlicher
Rechtsacte sein?®). Die Entstehung der Gesammtstaatsbildung
2), Auf dem Uebersehen der Thatsache, dass es ein Recht in abstracto