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der Gedanke der sittlichen Reprobation der Handlung, welcher
das Wesen der Strafe bilde, fehle zwar nicht ganz, da er in dem
auch hier geltenden Princip der Verschuldung reflectirt werde,
trete aber doch stark in den Hintergrund.
Offen bleibt bei Bar die Frage, ob die Ordnungsstrafe im
uneigentlichen Sinn völlig identisch mit der Criminalstrafe ist,
oder ob gewisse Unterschiede zwischen beiden bestehen; auch
vermisst man eine Begründung der Ansicht, dass die Ordnungs-
strafe im eigentlichen Sinn zur Disciplinarstrafe gehöre.
2. Nach R. Lönın@®) gehören diejenigen Ordnungsstrafen, die
begrifflich mit den Executivstrafen zusammenfallen, überhaupt
nicht zum Gebiet der Strafe, sondern zu dem des Executions-
zwangs. Hieher rechnet LönıngG die Strafen in St.-P.-O. 88 50, 69,
C.-P.-O. $$ 345, 355, 774, 775, 782, 785, ferner die Ordnungs-
strafen des Handelsgesetzbuches und Genossenschaftsgesetzes.
Die Frage, welcher Art die übrigen in den Reichsgesetzen sich
findenden Ordnungsstrafen sind, wird von LönınG gänzlich über-
gangen.
Weiter noch als Lönıng geht BıinpinG, der allen Arten von
Ordnungsstrafen den Strafcharakter abspricht‘). Ihm ist die
Ordnungsstrafe entweder Zwangsstrafe, und steht dadurch im
Dienst des Erfüllungs-, nicht des Strafzwangs; oder sie ist Dis-
ciplinarstrafe?) (8. 796 Anm. 18). Aber auch die Disciplinarstrafe
ist für ihn nur eine Form des Erfüllungszwangs, ein pädagogisches
Zuchtmittel®), keine Strafe im Rechtssinn’?).
°) RıcHarv LönIne, Grundriss zu Vorlesungen über deutsches Strafrecht,
1885, S. 54.
*) Bınpins, Handbuch, Bd. I, S. 274 ff., 796.
5) jbid. Anm. 18: „Ueberhaupt können alle sog. Ordnungstrafen zu
den Disciplinarstrafen gerechnet werden.“
®) Binpine, Grundriss zur Vorlesung über gemeines, deutsches Strafrecht,
2. Aufl, S. 111.
7”) Ueber den Erfüllungszwang im Gegensatz zum Strafzwang und Ent-
schädigungszwang s. THon, Die Rechtsnorm, S. 42 ff.