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keinen principiellen Unterschied zwischen Criminal- und staatlicher
Disciplinarstrafe an; dasselbe behauptet LıszT von der Ordnungs-
strafe im Verhältniss zur Criminalstrafe. Diese Ansicht hat
jedenfalls im bestehenden Recht keinen Grund; denn auf Grund
positiver Bestimmungen können wegen derselben Handlung Ord-
nungs- und Disciplinarstrafe neben der staatlichen Strafe aus-
gesprochen werden; daraus ergiebt sich der zwingende Schluss,
dass das positive Recht einen principiellen Unterschied zwischen
den genannten Strafarten annimmt.
Andere Rechtslehrer!) kommen dahin überein, dass der
Unterschied zwischen öffentlichem, d. h. Criminalstrafrecht und
Dienststrafrecht auf die Verschiedenheit der Gewaltverhältnisse
sich gründe, deren Ausfluss beide seien. Denn das Dienststraf-
recht sei ein Ausfluss der Dienstherrlichkeit, des Gewaltverhält-
nisses, in das der demselben Unterworfene durch speciellen Ver-
trag mit dem Dienstherrn trete, während das öffentliche Straf-
recht auf der öffentlich rechtlichen Strafgewalt des Herrschers
gegen den Unterthanen beruhe. Diese Theorie ist abzulehnen,
wenn unter dem disciplinaren Gewaltverhältniss eine über die blosse
Strafbefugniss bei Dienstvergehen hinausgehende potencirte Macht-
sphäre verstanden wird, wie sie dem Vater gegenüber dem Kind
zukommt, dem Lehensherrn gegenüber dem Vasallen zukam.
Dem Dienstherrn steht eine derartige Gewalt gegenüber dem Be-
amten nicht zu, was sich schon daraus ergibt, dass der Beamte
jederzeit einseitig das Gewaltverhältniss lösen kann. Die Theorie
enthält jedoch einen richtigen Kern, sofern sie die Verschieden-
heit zwischen Criminalstrafe und Disciplinarstrafe nicht in der
Strafe selbst, sondern in den Verhältnissen, aus welchen die Strafe
in H.H. III, S. 941; Zorn, R.-St.-R. I, S. 243; G. Meyer, Annalen 1876,
S. 672.
18) LABAnD, Reichsstaatsrecht, Bd. I, S. 447ff.; Schutze, Lehrbuch des
deutschen Strafrechts, Bd. I, S. 132, Renm, Die rechtliche Natur des Staats-
dienstes in Hirth’s Annalen, Jahrgang 1885, S. 192.