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ad 2. Mit dem ersten Unterscheidungsmerkmal hängt das
zweite innig zusammen. Die öffentlich -rechtliche Strafe ist be-
stimmt, den Bruch des öffentlichen Rechts zu ahnden, d.h. dess-
jenigen Rechts, welches vom Staat wegen Ueberwiegens der
öffentlichen Interessen als öffentliches Recht erklärt wurde; die
autonome Strafe straft nicht den Bruch des zum Schutz öffent-
licher Interessen, sondern des zum Schutz besonderer, gesellschaft-
licher Interessen aufgestellten Rechts; ja wir finden autonome
Strafe nicht nur wegen Rechtsbruches, sondern schon wegen In-
teressenverletzung überall da, wo ein Rechtskreis zwar autonome
Strafgewalt besitzt, wo aber das Recht dieses Kreises sich nicht
in festen Normen crystallisirt hat; sondern wo es dem Ermessen
des Strafberechtigten überlassen bleibt, welche Handlungen er als
dem Interesse des Rechtskreises zuwider mit Strafe belegen will.
Es gehören hieher alle Fälle des sogenannten erziehenden, besser
correctionellen Strafrechts, d. ıi. des Strafrechts in Familie,
Schule, im Lehrverhältniss ($ 127 R.-Gew.-O.), im Gefängniss und
beim Militär. Auch das Disciplinarstrafrecht des Schiffers gemäss
$ 72ff. der Seemannsordnung wird hieher zu rechnen sein.
Hier ist der Ort, um auf den Begriff des sogenannten Dis-
ciplinarstrafrechtes und sein Verhältniss zum autonomen Straf-
recht, soweit es für den Zweck dieser Abhandlung nöthig erscheint,
einzugehen. Als Disciplinarstrafe wird im Allgemeinen definirt
diejenige Strafe, welche bestimmt ist, Zucht und Ordnung in einem
vom Staat verschiedenen Lebenskreis aufrecht zu erhalten. Welche
Strafen aber im Einzelnen unter diesen Begriff zu bringen sind,
ist ungemein bestritten. Die Mehrzahl von Rechtslehrern rechnet
zum Disciplinarstrafrecht vor allem das erziehende Strafrecht in
Haus, Schule, Heer etc., ferner das Dienststrafrecht. Streitig
ist, in wie weit die Strafen in Vereinen und Corporationen, ebenso
ob und welche Ordnungsstrafen dem Gebiete der Disciplinarstrafe
angehören.
Gleiche Meinungsverschiedenheit, wie über den Umfang der