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wie sie in den vorerwähnten Gesetzen sich finden, niemals öffent-
lich-rechtliche Strafen sein, da sie sowohl ıhrer inneren Natur,
als der äusseren Erscheinungsform nach, wie sich aus dem Gleich-
laut der gesetzlichen Bestimmungen ergibt, völlig mit den Geld-
strafen des Alters- und Invaliditätsgesetzes identisch sind.
Ebenso ist die Thatsache, dass öffentliche Strafe neben der
Ordnungsstrafe aus $ 56 G.-V.-G. eintreten kann, ein zwingender
Beweis gegen die Natur dieser Strafen als öffentlich-rechtlicher
Strafen. Wir müssen nach unseren Ausführungen die fraglichen
Strafen als autonome Strafen bezeichnen, wobei nach dem oben
Gesagten die Untersuchung der Frage, ob wir es mit einer wirklichen
Ordnungsstrafe oder einer Disciplinarstrafe zu thun haben, als zweck-
los wegzufallen hat. Autonomes Strafrechtssubject ist bei den an-
geführten Strafen der Richter, bezw. der Vorstand der Versicherungs-
anstalt; und zwar üben dieselben eigene Strafrechte, nicht staatliche
Befugnisse aus. Das durch die Gehorsamsverweigerung verletzte
Rechtsgut ist nicht das öffentliche Recht, sondern die durch die be-
treffenden Gesetze geschaffene autonome Rechtssphäre. Der Gesetz-
geber glaubte, das Rechtsgut genügend geschützt zu haben, wenn er
dem Rechtskreis autonome Strafverhängungsbefugniss verlieh. Doch
hat er andererseits die, wenn auch nur durch autonome Strafe zu
schützenden Interessen für zu wichtig gehalten, als dass er es
dem Ermessen des zur Verhängung der autonomen Strafe Be-
rechtigten überlassen hätte, ob derselbe im einzelnen Fall strafen
wolle oder nicht. Daher besteht bei den angeführten Strafen immer
im Gegensatz zur sonstigen Freiheit in der Strafverhängung,
Strafzwang und Strafpflicht. Erst dann, wenn der über die ein-
fache Gehorsamsverweigerung hinausgehende Thatbestand des
8 138 R.-St.-G.-B. gegeben ist, erscheint das öffentliche Recht
als verletzt und tritt öffentlich-rechtliche Strafe ein. Dass neben
der öffentlich-rechtlichen Strafe auch die autonome Strafe bestehen
bleibt, wie $ 138 bestimmt, zeugt nicht, wie Lisz’T annimmt, von einer
Inconsequenz des Gesetzgebers; es findet sich im Gegentheil darin
Archiv für Öffentliches Recht. VII. 3. 97