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8SS 47 und 48 des Grerichtskostengesetzes, welche den Richter
ermächtigen, Strafgebühren für muthwillige Veranlassung eines
Verfahrens oder für schuldhafte Verzögerung eines Processes auf-
zuerlegen. Häufiger finden wir diese Strafen in landesrechtlichen
Gesetzen.
Wir wenden uns nun zu dem autonomen Strafrechte, das den
öffentlichen Oorporationen und Anstalten zusteht. Wir finden
ein solches von der Reichsgesetzgebung den Innungen, den Be-
rufsgenossenschaften und den auf Grund des Alters- und In-
validitätsgesetzes errichteten Versicherungsanstalten verliehen,
ferner nach dem revidirten Krankenversicherungsgesetz vom
15. Juni 1886
10. April 1892 55 6%
hörden als Organen der Gemeindekrankenversicherung, den Vor-
ständen der Orts- und Betriebskrankenkassen gegenüber den Ver-
sicherten, und den Aufsichtsbehörden gegenüber den Verwaltungen
der Gemeindekrankenversicherung und der Kassenvorstände®°). Vor
allem ist daran festzuhalten, dass das autonome Strafrecht dieser
Corporationen und Institute durchaus verschieden ist vom Conven-
tionalstrafrecht der Vereine. Das letztere basirt lediglich auf den
Grundsätzen über den Vertrag. Durch den freiwilligen Beitritt zu
einem Verein werden für den Eintretenden die statutarischen Straf-
bestimmungen zur lex contractus. Weigert er sich, die ihm
26a, 60, 76b den gemeindlichen Be-
65) Interessant ist die Bestimmung in $ 6a des citirten Gesetzes: „Die
Gemeinden sind ermächtigt, Vorschriften über die Krankenmeldung, über das
Verhalten der Kranken und über die Krankenaufsicht zu erlassen und zu
bestimmen, dass Versicherte, welche diesen Vorschriften oder den Anord-
nungen des behandelnden Arztes zuwiderhandeln, Ordnungsstrafen
bis zu 20 Mark zu erlegen haben“ insofern, als sie einmal deutlich zeigt, wie
es lediglich Verfehlungen gegen einen bestimmten Interessenkreis sind, die
mit Ordnungsstrafe geahndet werden, andererseits weil hier die autonome
(tesetzgebungsgewalt nicht völlig in bestimmten Normen festgelegt ist, sondern
in den Anordnungen des Arztes im einzelnen Fall sich äussert, ein Fall,
analog dem Disciplinarstrafrecht in der Familie und der Schule.