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Liszt und v. SArwEy erkennen der Geldstrafe als Zwangs-
strafe eine doppelte Natur zu, die der Strafe und die eines
Zwangsmittels. Zum Beweis des Strafcharakters bringt Liszt
vor’): „Die Ordnungsstrafe wendet sich gegen die Vergangenheit,
um die Zukunft zu sichern. Sie ist daher verwirkt, sobald der
Ungehorsam zu Tage tritt, und entfällt nicht, wie die Zwangs-
mittel im engeren Sinn, mit der Beugung des Trotzes.“ Wären
diese Sätze richtig, so wäre allerdings auch die LiszT’sche An-
nahme einer Doppelnatur der Zwangsstrafe begründet; unserer
Ansicht nach können jedoch die ausgesprochenen Sätze in dem
geltenden Recht ihre Rechtfertigung nicht finden. Denn die
Ziwangsstrafe ist nicht, wie die Criminalstrafe, schon dann ver-
wirkt, wenn der Ungehorsam zu Tage tritt; erst wenn der Un-
gehorsam bereits zu Tage getreten ist, erfolgt eine Strafdrohung,
d.h. die Androhung, dass dem Ungehorsamen bei noch weiterer
Fortdauer des Ungehorsams ein Vermögensnachtheil treffen werde;
wird daraufhin Gehorsam geleistet, so wird der vorhergegangene
Ungehorsam nicht geahndet; eine Bestrafung desselben findet also
nicht statt. Beharrt der Betrefiende aber im Ungehorsam, so
wird als stärkeres Zwangsmittel der bereits angedrohte Ver-
mögensnachtheil dem Ungehorsamen zugefügt, die Geldstrafe ver-
hängt. Wird dadurch der Trotz nicht gebrochen, so kann von
neuem mit Geldstrafen vorgegangen werden; wird aber Gehorsam
geleistet, so entfallen die weiteren Zwangsmittel. Dass die er-
kannte Geldstrafe vollstreckt wird, auch wenn zwischen Straffest-
setzung und Vollstreckung die Unterwerfung sich einschiebt, kann
nicht zum Beweis dafür, dass die Zwangsstrafe ohne Rücksicht
auf den geleisteten Gehorsam doch. vergelten wolle für den be-
gangenen Ungehorsam, herangezogen werden. Denn nicht ist die
desswegen nicht weniger als Strafe, nämlich als Strafe des begangenen Un-
gehorsams, weil sie zu dem darfiber hinausgehenden Zweck der Erzwingung
eines bestimmten Thuns verhängt wird.“
78) In dem oben citirten Artikel über die Ordnungsstrafe.