Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebenter Band. (7)

— 453 ° — 
fährt fort, die völkerrechtliche Literatur, besonders der nächstbetheiligten 
Völker, zu beherrschen. Occupation und Protectorat sind die internationalen 
Rechtsformen, in denen sich die Ausdehnung der colonialen Herrschafts- und 
Machtsphäre in neuester Zeit fast ausschliesslich vollzogen hat. Diese beiden 
Rechtsinstitute galt es also vor allem, nachdem sie praktisch so häufig an- 
gewandt worden, nun auch juristisch zu untersuchen und in ihrem durch eine 
schwankende Praxis so vielfach verdunkelten wahren Wesen zu erfassen. Für 
die Occupation ist dies bereits in gediegener Weise durch das vom Referenten im 
Archiv (Bd. V. S. 445 ff.) besprochene Werk von Salomon geschehen. Für 
das Protectorat dagegen fehlte es an einer solchen monographischen Behandlung 
bisher gänzlich. Der Versuch des Verfassers, diese Lücke auszufüllen, ent- 
sprach daher einem wissenschaftlichen Bedürfniss, und es ist nur zu bedauern, 
dass er sich den Rahmen seiner Arbeit so eng gesteckt hat. Er beschränkt 
nämlich seine Untersuchungen, wie sich schon aus dem Titel des Buches er- 
giebt, auf das eigentliche völkerrechtliche Protectorat zwischen Staat und Staat. 
Die in der Praxis des neueren Colonialrechts zu so grosser Bedeutung ge- 
langten unwahren Scheinprotectorate zwischen Staaten und nicht staatlich 
organisirten Stämmen werden nur nebenbei „als Abschweifung vom Thema“ 
ganz kurz erörtert (S. 58 ff... Der Verfasser hat sich dadurch seine Arbeit 
nicht unwesentlich erleichtert, damit aber zugleich auf eine wahrhaft er- 
schöpfende Behandlung des Gegenstandes verzichtet. Mit seiner Auffassung der 
erwähnten „Scheingeschäfte“ stimmt Referent übrigens ebenso vollständig 
überein wie mit der Verwerfung des juristisch ganz unhaltbaren Begriffs eines 
„staatsrechtlichen“ im Gegensatz zum völkerrechtlichen Protectorat. 
Das Protectorat kann,wenn es andersüberhaupt ein Rechtsinstitut ist, jeden- 
falls nur ein solches von völkerrechtlicher Natur sein. Dass wir es aber bei 
dem Protectorat mit einem juristisch definirbaren und präcisirbaren Rechtsver- 
hältniss und nicht nur mit einem blossen politischen Machtverhältniss zu thun 
haben, dies hat der Verfasser eben durch seine eingehende Untersuchung der 
historisch gegebenen Gestaltungen dieser Institution nachzuweisen versucht. Er 
hat es dabei an gründlichem Studium der Verträge, an scharfsinniger Argu- 
mentation und klarer Gliederung des Stoffes nicht fehlen lassen. Wenn wir 
trotzdem kein vollständig klares Bild von dieser Einrichtung zu gewinnen 
vermögen, wenn wir gleichwohl auf Schritt und Tritt nicht aus dem Wider- 
spruch zwischen den aus der angeblichen rechtlichen Natur des Verhältnisses 
abgeleiteten theoretischen Sätzen und dessen thatsächlicher Gestaltung im 
einzelnen Fall herauskommen, so ist dies nicht die Schuld des Verfassers. 
Es liegt vielmehr an dem ausserordentlich schwankenden, unklaren Charakter 
einer Einrichtung, die eben nur dazu da ist, um die eigentlich gewollten Ziele 
zu verhüllen und unter Aufrechterhaltung des trügerischen Scheines fortdau- 
ernder Selbstständigkeit einen schwächeren Staat unvermerkt und allmählich 
in die volle Macht und Herrschaftssphäre eines mächtigeren Protectors hinein- 
zuziehen. Das Protectorat stellt sich fast überall, wo wir demselben begegnen,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.