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Ungeachtet der Zurückweisung einer Eintheilung des Rechtes in In-
dividual- und Socialrecht wird diese grundsätzliche Scheidung in mehrfacher
Wiederholung durchgeführt und im Einzelnen verwerthet. So sind die sämmt-
lichen staatlichen Organe oder die Behörden in wirthschaftlicher Beziehung
Vertreter der geschaffenen juristischen Persönlichkeit; als öffentlich-rechtliche
Organe handeln sie, beziehungsweise die durch die staatliche Rechtsordnung
individualisirten Menschen jedoch nicht für ein hinter ihnen stehendes Rechts-
subject, sondern befinden sich im selbständigen Besitze der Rechte, die ihnen
durch die Rechtsordnung dergestalt beigelegt sind, dass alles, auch das auf
die Individuen reflectirende Recht, das durch die Gesetzgebung zum geltenden
Recht erhoben ist, als solches aber mit hoher Wahrscheinlichkeit zur An-
wendung kommt, sich subjectiv als behördliches Recht darstellt, und nur
durch die pflichtmässige Ausübung der Behörden seinerseits Geltung gewinnt.
Da in der verschlungenen Ueber- und Unterordnung der Behörden nur noch
historisch von einem höchsten Organe als der scheinbaren Spitze des staat-
lichen Organismus geredet werden kann, so tritt die charakteristische Stellung
des Staatsoberhauptes und im Anschluss hieran die Scheidung in Monarchie
und Republik an Bedeutung zurück; als die vier vornehmsten Organe des
modernen Staates werden vielmehr rein äusserlich aneinandergereiht: die
Regierung, die gegenwärtig in den meisten Beziehungen von anderen Organen
abhängig erscheint, neben derselben das aus kleinen Anfängen erwachsene
Parlament, das in dem constitutionellen Staate als der eigentliche Gesetz-
geber anzusehen ist, überdies die höchsten Gerichtsbehörden sowie die stimm-
fähigen Aktivbürger in ihrer Eigenschaft als Wahlkörper beziehungsweise als
gesetzgebende Behörde. Um mit dieser Auffassung in gleichmässiger Er-
streckung das Staatsdienstverhältniss in Einklang zu bringen, wird von dem
Ausgangspunkt des Mandates das massgebende Pflichtverhältniss des Gewählten
zum Wählenden auf die Annahme der Wahl zurückgeführt, für die Erb-
monarchie in dem Verfassungseide, für das als Behörde charakterisirte
Familienhaupt in dem angeborenen Rechtssinne gefunden, für die aus den
Aktivbürgern bestehende Behörde aber eine Ausnahme mit der Erklärung
anerkannt, dass die bezüglichen Pflichten und Rechte lediglich in den Rechten
und Pflichten der übrigen Staatsorgane hervortreten, den Willen der Wahl-
behörde einzuholen und zu respektiren.
Durchgeführt wird die angenommene Theilung namentlich in Betreff
der Vertretung nach Aussen. Auch hier wird das individuelle wirthschaftliche
Subject nach den Grundsätzen der direkten Stellvertretung durch die Organe
berechtigt und verpflichtet. Da andererseits das organische Ganze als Subject
die Vielheit der Organe und Glieder umfasst und folgeweise keinen indivi-
duellen Charakter trägt, so sind in That und Wahrheit Rechte und Pflichten
des organischen Ganzen Rechte und Pflichten der massgebenden Organe
der Handelnde ist mithin der Vertreter nioht des organischen Ganzen, sondern
der entsprechenden Vereinsorgane als Contrahenten, ohne Unterschied, ob