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in seiner neuesten Publication abermals Veranlassung genommen, die Ueber-
zeugung zu verfechten, dass es ein zweifelloser Rechtsirrthum sei, aus dem
Personenstandsgesetze oder aus sonstigen neueren reichsgesetzlichen Bestim-
mungen die Aufhebung des landesherrlichen Ehescheidungsrechts herzuleiten.
Er findet diese seine Auffassung dadurch bestätigt, dass keiner der Staaten,
in welchen dieses Recht bisher geübt worden sei, zufolge der Reichsgesetz-
gebung sich veranlasst gesehen habe, von dieser Uebung abzustehen, sowie
dadurch, dass auch in der Praxis der Gerichte oder der sonstigen massgebenden
Behörden nirgends die Fortdauer des landesherrlichen Ehescheidungsrechts
angezweifelt worden sei. Nur so viel giebt er zu, dass dieses Recht von ge-
ringer praktischer Bedeutung ist, da es in verhältnissmässig beschränkten
territorialen Grenzen und in diesen verhältnissmässig sehr wenig geübt wird.
Den unmittelbaren Anlass zur nochmaligen Erörterung der Frage gab dem
Verfasser die denselben Gegenstand behandelnde Publication von MEIRER
und bezeichnet er es selbst als eine Aufgabe seiner Schrift, die von diesem
„verfochtene Meinung zu widerlegen, als sei jenes Recht durch die neuere
Reichsgesetzgebung abgeschafft oder mindestens umgestaltet“.
Im Einzelnen giebt er zunächst die geschichtliche Entwickelung des
Ehescheidungsverfahrens und zwar bestehen die bezüglichen Ausführungen in
der Hauptsache, von redactionellen Aenderungen und dem Schluss abgesehen,
in der Wiederholung eines in Bd. XVIII der Zeitschrift für Kirchenrecht
publicirten Aufsatzes. Er betont, dass sich im Verlaufe der Zeit der Rechts-
satz ausgebildet habe, dass die landesherrliche Scheidung nur dann Platz
greifen darf, wenn die gerichtliche Scheidung undurchführbar ist. Des Weitern
führt er aus, dass die neuere Entwickelung den Satz ausgebildet habe, dass
die landesherrliche Scheidung ein gemeinsames Gesuch beider Eheleute voraus-
setze. Bei Widerspruch des einen Ehetheiles liege eine streitige (vor Gericht
zu erledigende) Ehesache vor. Nach einer kurzen Erörterung der heutigen
Stellung der Theorie und Praxis, gelegentlich deren es als gleichgiltig be-
zeichnet wird, ob man die landesherrliche Scheidung als „Ertheilung eines
Privilegs* oder als „Dispensation* oder als „Erlass einer lex specialis* oder
als „Gnadenact“ auffasse, geht der Herr Verfasser dazu über, seine Auffassung
über das Verhältniss der neuen Reichsgesetzgebung zum landesherrlichen Ehe-
scheidungsrechte des Näheren zu begründen. Insbesondere in Betreff des
Verhältnisses des $ 76 führt er Folgendes aus: Dass durch $ 76 des Personen-
standsgesetzes das landesherrliche Ehescheidungsrecht irgendwie berührt sei,
hätte nie behauptet werden sollen. Die Bestimmung des $ 76 Abs. 1: „In
streitigen Ehe- und Verlöbnisssachen sind die bürgerlichen Gerichte aus-
schliesslich zuständig“ bedeute nichts Anderes als: „Der letzte innerhalb des
deutschen Reiches noch bestehende Rest der geistlichen Gerichtsbarkeit in
Eheprozessen geht von jetzt ab auf die staatlichen Gerichte über“. Dem-
gegenüber bezeichnet er diejenige Auffassung als ebenso unwissenschaftlich
als verfehlt, welche den $ 76 Abs. 1 dahin versteht: „Die Ehescheidung soll