Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebenter Band. (7)

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Es ist zwar zuzugeben, dass die Ordnung der Organe und 
des Verfahrens zur Ergründung der Natur eines Rechtes wohl 
benutzt werden kann, aber allein ausschlaggebend kann sie nim- 
mermehr sein. Einige Beispiele mögen dies beweisen. Dem Be- 
amten wird das Recht gegeben, seine Gehaltsansprüche vor den 
Civilgerichten zu verfolgen — ist dadurch das Institut der Be- 
amten etwa dem öffentlichen Rechte entzogen ? 
Die Grundsätze über die religiöse Erziehung der Kinder in 
gemischten Ehen sind überwiegend öffentlichen Charakters °?) und 
werden doch fast überall von den Civilgerichten zur Anwendung 
gebracht. 
Die Streitigkeiten aus dem Patronatsrecht werden vor den 
bürgerlichen Gerichten verfolgt. Gehört etwa die Krankenver- 
sicherung dem privaten Rechte an, weil die Ansprüche aus diesem 
Gesetze vor den gewöhnlichen Gerichten verhandelt werden ? 
Gerade an der Krankenversicherung lässt sich das Wesen 
des öffentlichen Rechtes klar erkennen. Der Staat betrachtete 
früher die Fürsorge für die Arbeiter bei Betriebsunfällen u. s. w. 
als eine ihn nicht weiter berührende Angelegenheit, er überliess 
es der Initiative des Einzelnen, sich durch Versicherungsverträge 
zu schützen. Diese waren Verträge des Privatrechtes; die Ver- 
sicherungsgesellschaften Privatcorporationen. Alle Streitigkeiten 
gehörten vor den Civilrichter. Die Arbeiterfrage nahm allmählich 
eine für den Staat bedrohliche Gestalt an. Der Staat gewann 
Interesse an der Fürsorge für die arbeitenden Klassen, er nahm 
die Versicherung in die Hand, und schuf zuerst die Kranken- 
versicherung. Er nahm damit eine intensivere Stellung zu dieser 
Versicherung ein: ein eigenes Gesetz, eigenartige Grundsätze und 
besondere Betheiligung der staatlichen Organe kennzeichnen dies 
zur Genüge. Der Staat hob damit das Institut der Kranken- 
7) Vgl. Senuise, Die religiöse Erziehung der Kinder. Leipzig und Er- 
langen 1891. S. 11 ff.
	        
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