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Es ist zwar zuzugeben, dass die Ordnung der Organe und
des Verfahrens zur Ergründung der Natur eines Rechtes wohl
benutzt werden kann, aber allein ausschlaggebend kann sie nim-
mermehr sein. Einige Beispiele mögen dies beweisen. Dem Be-
amten wird das Recht gegeben, seine Gehaltsansprüche vor den
Civilgerichten zu verfolgen — ist dadurch das Institut der Be-
amten etwa dem öffentlichen Rechte entzogen ?
Die Grundsätze über die religiöse Erziehung der Kinder in
gemischten Ehen sind überwiegend öffentlichen Charakters °?) und
werden doch fast überall von den Civilgerichten zur Anwendung
gebracht.
Die Streitigkeiten aus dem Patronatsrecht werden vor den
bürgerlichen Gerichten verfolgt. Gehört etwa die Krankenver-
sicherung dem privaten Rechte an, weil die Ansprüche aus diesem
Gesetze vor den gewöhnlichen Gerichten verhandelt werden ?
Gerade an der Krankenversicherung lässt sich das Wesen
des öffentlichen Rechtes klar erkennen. Der Staat betrachtete
früher die Fürsorge für die Arbeiter bei Betriebsunfällen u. s. w.
als eine ihn nicht weiter berührende Angelegenheit, er überliess
es der Initiative des Einzelnen, sich durch Versicherungsverträge
zu schützen. Diese waren Verträge des Privatrechtes; die Ver-
sicherungsgesellschaften Privatcorporationen. Alle Streitigkeiten
gehörten vor den Civilrichter. Die Arbeiterfrage nahm allmählich
eine für den Staat bedrohliche Gestalt an. Der Staat gewann
Interesse an der Fürsorge für die arbeitenden Klassen, er nahm
die Versicherung in die Hand, und schuf zuerst die Kranken-
versicherung. Er nahm damit eine intensivere Stellung zu dieser
Versicherung ein: ein eigenes Gesetz, eigenartige Grundsätze und
besondere Betheiligung der staatlichen Organe kennzeichnen dies
zur Genüge. Der Staat hob damit das Institut der Kranken-
7) Vgl. Senuise, Die religiöse Erziehung der Kinder. Leipzig und Er-
langen 1891. S. 11 ff.