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Der folgende Sommer brachte die Elecetrotechnische Aus-
stellung und den Deutschen Städtetag in Frankfurt a..M. Dort
fanden sich die Hauptvertreter der an der Entwicklung des elektro-
technischen Gewerbes und an seiner Anwendung für kommunale
Zwecke interessirten Kreise zusammen und nahmen gegen den
Telegraphengesetzentwurf mit seiner Bevorzugung der Schwach-
stromanlagen eine oppositionelle Stellung ein, welche später in
ihren, über 120 Nummern zählenden Petitionen zum Ausdruck
gelangte. Angesichts dieser die Sachlage ändernden Ereignisse,
hielt der Reichstag es für angemessen, bei der Wiederaufnahme
der Verhandlungen im Januar 1892 den Entwurf noch einmal
.der Kommission zur Berichterstattung zu überweisen. Am 23. März
nahmen die Beratungen auf Grund des zweiten Berichtes ihren
Anfang und fanden am 19. März, nach Berücksichtigung mehrerer
Abänderungsanträge, ihren Abschluss. Seit dem 6. April
dieses Jahres besitzen wir ein Gesetz über das Tele-
graphenwesen des Deutschen Reiches).
Selten ist wohl eine Regierungsvorlage, deren Urform nur
8 Paragraphen umfasste, so lebhaft umstritten, so vielfach
amendirt und so stark ergänzt worden. Und doch ist an dem,
was als fertiges Gesetz vorliegt, kaum etwas völlig neu Er-
schaffenes. Es ist im Wesentlichen nur eine Kodifikation
der von der Telegraphenverwaltung seither be-
anspruchten Rechte, verbunden mit ausdrücklicher Normirung
ihrer Pflichten, zumal die Bestimmungen des Gesetzes über
die Stellung der elektrischen Anlagen zu einander nur als Not-
bestimmungen für die Zeit bis zum Erlass eines Gesetzes über
1) Eine chronologische Zusammenstellung der amtlichen Gesetzes-
materialien findet sich in meiner soeben bei ©. Heymann in Berlin erschienenen
Erläuterung des Gesetzes auf S. VI—-VIll. Während der Drucklegung obiger
Abhandlungen veröffentlichte FıiscueEr einen Aufsatz über: Das neue deut-
sche Telegraphengesetz in Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, 16. Jg.
3. Heft, S. 1—44,