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Stellen wir uns den Fall vor, das Telegraphengesetz hätte
es ganz unterlassen, über sein Geltungsgebiet besondere Be-
stimmungen zu treffen, so hätte es als Reichsgesetz ohne Weiteres
in allen Bundesstaaten Geltung erlangt und wäre von den zu-
ständigen Behörden zur Anwendung gebracht worden. Und zwar
wären, da gemäss Art. 52 Reichstelegraphenbehörden beim Mangel
einer Sonderbestimmung in Bayern und Württemberg nicht exi-
stiren, so wären naturgemäss die betreffenden Staatsbehörden die
Vollzugsorgane gewesen. Mithin wäre ohne die Zuweisung dieser
beiden Staatsregale dieselbe Wirkung erzielt worden, wie sie nun
durch die eigenartige Fassung des $ 15 des Gesetzes erreicht wurde.
Eine gewisse Bedeutung kann die vom Gesetzgeber
beliebte Form nur in einem Falle erlalten, nämlich, wenn es
sich um die Konzessionirung von privaten oder städtischen Tele-
graphenanlagen handelt. 8 2 des Gesetzes bestimmt, dass die
Verleihung der Erlaubnis zur Anlage von Telegraphen von dem
Reichskanzler oder den von ihm hierzu ermächtigten Behörden
erfolgen solle. Berücksichtigt man die Normen des $ 15 bei
Anwendung dieser Bestimmungen, so wird man zu dem Schluss
kommen, dass die allgemeine Uebertragung der Verleihungs-
befugnisse des $ 3 in sofern eine Einschränkung erfährt, als dem
Reichskanzler jenes Recht in Bayern und Württemberg nicht
zusteht. Dort treten gemäss jener Bestimmung des $ 15 die nach
Landesrecht zuständigen Ministerien an die Stelle des Reich-
kanzlers. Es sind dies in Bayern das Ministerium des Kgl. Hauses
und des Aeussern, in Württemberg das Ministerium der aus-
wärtigen Angelegenheiten, Abtheilung für die Verkehrsanstalten.
Dadurch wird die Möglichkeit geschaffen, dass die Konzessionirung
von privaten bezw. städtischen Telegraphenanlagen in Deutschland
nicht auf einer völlig gleichen Grundlage erfolgt, obschon ein
materiell bedeutendes Abweichen wohl nicht zu befürchten ist,
auch mit dem Rechtsgleichheit anstrebenden Geist des Gesetzes
im Widerspruch stehen würde.