Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebenter Band. (7)

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Das Allzukünstliche des Biur’schen Vorschlags liegt, glaube 
ich, so sehr auf der Hand, dass es nicht nöthig ist, auf alle 
Einzelheiten einzugehen‘), ich beschränke mich darum auf die Her- 
vorhebung zweier wesentlicher Bedenken, eines thatsichlichen und 
eines rechtlichen. — Die für jede Partei (und ihre Bewerber) 
abgegebenen Stimmzettel sollen durch das ganze Reich durch- 
gezählt und das Ergebniss der Abstimmung von einer Reichsbehörde 
?) Nur ein Kuriosum der Wahlanfechtung möge an einem Beispiel ver- 
anschaulicht werden. — Auch in Bänr’s Vorschlägen sind grössere, über den 
Ortswahlbezirken des $ 6 des Reichswahlgesetzes stehende Zählbezirke 
vorgesehen. Diese Zählbezirke haben an sich keine rechtliche Bedeutung. 
aber sie werden mit Nothwendigkeit thatsächlich zu Wahlbezirken, in 
denen sich de facto zwei (oder mehr) Bewerber gegenüberstehen und wo der 
“Wahlkampf so leidenschaftlich wie bisher wird geführt werden. Nehmen wir 
nun an, dass in 10 Zählbezirken 10 Bewerber der Partei X (darunter A und 
B) und der Partei Y (darunter C und D) auftreten; auf die Bewerber der 
Partei X fallen 200 000 Stimmen, davon im 1. Zählkreis auf A 22000, im 10. 
auf B 12000; auf die Bewerber der Partei Y 199800 Stimmen, davon im 
1. Zählkreis auf C 21 900, im 10. auf D 11800. Bei der Prüfung durch die 
Reichswahlbehörde ergiebt sich aber, dass in der zum 1. Zählbezirk gehörigen 
Gemeinde Grossrinderfeld 200 Wäller den Namen A auf Stimmzettel für die 
Partei Y geschrieben haben. Diese 200 Stimmen werden der Partei X und 
dem Bewerber A abgezogen und der Partei Y zugezählt. Nun hat die Partei 
X nur noch 199800 Stimmen, also nur noch 9 (volle) Sitze, die Partei Y 
aber 200000 Stimmen, also 10 Sitze. A hat aber immer noch weit mehr 
Stimmen als B, und die Folge hiervon ist, dass B durchgefallen ist, während 
A und D in den Reichstag eintreten, trotzdem, dass nach Vernichtung der 
für A ungültig abgegebenen Stimmen sein de facto-Gegner C im 1. Zähl- 
bezirk über ihn gesiegt, und D im 10. Zählbezirk gegen B unterlegen ist; 
eine unabweisbare Schlussfolgerung aus Bäur’s Vordersätzen, aber ein sonder- 
bares, sicherlich selbst manchem verständigen Wähler kaum begreifliches 
Ergebniss! — Der aufmerksame Leser wird übrigens aus denı Beispiel ent- 
nehmen, dass die Vorschläge Bäur’s mit oder obne Zuthun der Behörde 
ziemlich nothwendig zu einer Gestaltung der Wahlen führen, die sich meinem 
unten zu machenden Vorschlag nähert: sollen nicht (was gewiss nicht 
wünschenswerth wäre) die meisten Reichstagssitze durch Kooptation einiger 
weniger gewählter Personen besetzt werden, so müssten entweder die 
künftigen Zählbezirke ungefähr noch einmal so gross gemacht werden, als 
die seitherigen Wahlbezirke, oder müssten sich die Wähler zweier Zähl- 
bezirke seitheriger Grösse über die Person eınes Bewerbers verständigen.
	        
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