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festgestellt werden, allerdings „auf Grundlage der Feststellung
für die einzelnen Orte und Bezirke durch die dazu berufenen
örtlichen Behörden“. Andrerseits soll jeder Wahlfähige berechtigt
sein, eine Partei zur Wahl anzumelden. Bei der Neigung der
Deutschen zur Sonderbündelei kann es nicht fehlen, dass in Folge
der letzteren Bestimmung neben den seitherigen Parteien, deren
Zahl doch schon gross genug ist, noch mindestens ein Dutzend
weiterer Parteien auftreten: da kommt die Antisemitenpartei, kommt
die Partei Hahnemannia, die den Impfzwang bekämpft, kommt die
Temperenzpartei u. s. w., und jede dieser „Parteien“ findetdurch ganz
Deutschland hindurch einzelne Anhänger. Da denke man sich
nun die Arbeit der „Reichswahlbehörde‘! Wenn sie nicht hinter-
her mit zallosen Wahlanfechtungen überschwemmt werden will,
so muss sie die Feststellungen der Lokalbehörden nachprüfen ;
das ist eine Arbeit, die sich der Feststellung der Ergebnisse einer
allgemeinen Volkszählung nähert, also nicht bloss Wochen, sondern
Monate in Anspruch nähme, und ehe sie fertig ist, kann der
neugewählte Reichstag nicht zusammentreten!
Noch gewichtiger erscheint mir das andere, rechtliche Be-
denken. Parteien sind in einem freien Gemeinwesen unvermeidlich
und nothwendig, aber ebenso zweifellos ist es mir, dass der Staat
niemals officiell eine Partei anerkennen darf. Das geschähe aber
nach den Vorschlägen Biurs. Wenn ein Wähler eine „konservative“
oder eine „freisinnige Partei“ oder eine „Partei Bismarck“ oder
eine „Partei Lasker“* anmeldet, so erscheint das unverfänglich;
wie aber, wenn eine „polnische Partei“, eine „Welfenpartei“,
eine „kommunistische®* oder eine „anarchistische Partei“ oder gar
eine „Partei Nobiling* angemeldet würde?! Dergleichen wäre,
darüber täusche man sich nicht, ganz unausbleiblich; soll aber
die Reichswahlbehörde solche Anmeldungen entgegennehmen
und amtlich veröffentlichen? Das ist undenkbar. Aber was dann?
Man müsste der Kommission das Recht einräumen, ungeeignete An-
meldungen zurückzuweisen, aber was ist ungeeignet? Soll die