Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebenter Band. (7)

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Stimmenmehrheit. Diese Art der Wahl enthält eine doppelte 
Ungerechtigkeit: die erste Wahl gefährdet den Anspruch der 
absoluten Minderheit der Wähler —, die etwa erforderliche Stich- 
wahl gefährdet in noch höherem Mass den Anspruch der relativen 
Mehrheit auf angemessene Vertretung im Reichstag. — Unter- 
stellen wir, was den ersten Fall angeht, dass in fünf Wahlkreisen 
das Stärkeverhältniss zweier Parteien sei 10:2, 10:4, 10:6, 
10:8, 10:10, das ist ım Durchschnitt 5:3; von den fünf 
Sitzen gebühren demnach der einen Partei drei (und ein kleiner 
Bruchteil), der andern (etwas weniger als) zwei; nach geltenden 
Recht aber (Wahlgesetz $ 12, Abs. 2) hängt es, wenn alle Wahl- 
berechtigten wählen, vom Zufall, vom Loos ab, ob die zweite 
Partei einen oder keinen Sitz erlangt. —- Noch ungerechter ist 
unter Umständen das Ergebniss im zweiten Fall: ın fünfzehn 
Kreisen stehen sich drei Parteien entgegen, die sich überall in 
der Stärke zu einander verhalten wıe 12:10:38; danach müssten 
erhalten die erste Partei 6, die zweite 5, dıe dritte 4 Sitze; nun 
verständigen sich aber die zweite und die dritte Partei ın der 
Stichwahl über die Verteilung der Sitze: ın acht oder neun 
Kreisen stimmen die Anhänger der dritten Partei für den Be- 
werber der zweiten, in sieben oder sechs die Anhänger der 
zweiten für den Bewerber der dritten, so dass die erste, stärkste 
Partei keinen Sitz, die zweite deren acht oder neun, die dritte 
sieben oder sechs erhält. Das ist unter allen Umständen gerade 
so ungerecht, wie das Ergebniss im ersten Fall, es ist aber über- 
dies auch unsittlich, wenn das Wahlbündniss der zweiten und 
der dritten Partei nicht auf wesentlicher Uebereinstimmung der 
Ziele dieser beiden Parteien, sondern — bei höchster Verschieden- 
heit dieser Ziele — nur auf gemeinschaftlichem Hass gegen -die 
erste Partei beruht, und die Unsittlichkeit wirkt häufig noch über 
die Wahl hinaus, indem sıch die eine Partei der andern ver- 
bindlich macht, gewisse Massregeln — selbst gegen die bessere Ueber- 
zeugung der Abgeordneten — zu unterstützen oder zu bekämpfen.
	        
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