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sein. Die ungesetzliche Uebung käme wohl von selbst in Weg-
fall, wenn dem Reichstag eine Mitwirkung bei Besetzung der
Stellung eingeräumt würde in der Art, wie es meines Wissens
seinerzeit in Kurhessen der Fall war, nämlich so, dass dıe Er-
nennung durch den Kaiser (auf Grund einer vom Reichsgericht
aufzustellenden Vorschlagsliste?) abwechslungsweise auf Vorschlag
des Bundesraths und auf Vorschlag des Reichstags geschähe. Die
Besetzung des Gerichts mit den besten im Reich verfügbaren
Kräften wäre damit verbürgt, ohne dass die annähernd gleiche
Berücksichtigung der einzelnen Staaten ausgeschlossen wäre, und
dem Reichstag wäre ein so werthvolles Recht eingeräumt, dass
. er wohl kaum Bedenken tragen würde, das für alle Parteien unter
Umständen bedenkliche Recht der Entscheidung über Wahl-
anfechtungen dafür preiszugeben.
„Wer Vieles bringt, wird Jedem Etwas bringen‘: keiner
Partei im Deutschen Reich werden alle meine Vorschläge genehm
sein, aber jede wird mit dem einen oder dem andern sich einver-
standen erklären, und darauf beruht, worauf es bei allen gesetz-
geberischen Vorschlägen in erster Linie ankommt, die Möglich-
keit der von mir skizzirten Reform des Wahlgesetzes.
Nach Vollendung des vorstehenden Aufsatzes kam die Schritt
Rosın’s „Minoritätenvertretung und Proportionalwahlen“ (Berlin,
Guttentag 1892) zu meiner Kenntniss. — Der Leser findet hier,
nach einer kurzen Würdigung des Systems der reinen Mehr-
heitswahlen, zunächst das, wessen ıch mich des Raumes und
meiner unvollständigen Kenntniss halber enthalten habe: eine
übersichtliche, klare, (in den Anmerkungen) mit reichhaltigem
Literaturnachweis ausgestattete Darstellung der verschiedenen Vor-
schläge für die Durchführung einer Vertretung der Minderheiten,
Vorschläge, die R. in empirische und rationelle einteilt.
Biurs oben gewürdigter Vorschlag bezüglich der Wahl nach
Parteien würde sich den rationellen Vorschlägen, dem System der