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O0. Baehr, Gegenentwurf zu dem Entwurfe eines bürgerlichen
Gesetzbuches für das Deutsche Reich. Kassel 1892. Brunne-
mann.
Es ist das persönliche Moment, das uns veranlasst, an dieser Stelle
auf eine Arbeit hinzuweisen, deren Inhalt nur in privatrechtlichen Einzel-
ausführungen und Bekämpfungen entsprechend gewürdigt und auf den Werth-
gehalt geprüft werden kann. Für den ganzen rechtsgeschichtlichen Process
der bevorstehenden Kodifikation des Deutschen Civilrechts wird es aber doch
dauernd von Bedeutung bleiben, dass ein Mann von der literarischen Stellung
und scharf geprägten Eigenart O. Barur’s sein gewichtiges Urtheil über das
Gesetzgebungswerk nicht nur in die Form der kritischen Ablehnung des
Gebotenen bringt, sondern zugleich selbst Hand anlegt und in einen Gegen-
entwurfe, der sich übrigens vielfach an den ursprünglichen Entwurf anlehnt,
die reifen Erwägungen eines um die Deutsche Rechtspflege wohlverdienten
Freundes, wenn auch nicht bedingungslosen Fanatikers der Deutschen Rechts-
einheit darbietet. BAEHR zeigt, zum mindesten in der Richtung, an, wie man
den neu aufgestiegenen Bedürfnissen des Volkslebens Erfüllung gewähren
und dabei doch auch in einem neuen Gesetzeswerke einer Wissenschaft Treue
bewahren kann, „an der zwei Jahrtausende aufgebaut haben“. Die Anschau-
ungen über den Beruf unserer Zeit zur Gesetzgebung, sie mögen noch so
scharf auseinanderlaufen, auch derjenige, der sonst nicht geneigt ist, an die
märchenhafte Keimkraft der tausendjährigen Sarkophagen entnommenen
Samenkörner zu glauben, dürfte dem Verfasser darin zustimmen, dass das-
jenige gemeine Recht, das zwar nicht in den Lehrbüchern gelehrt, das aber
bei richtigem Verständniss des römischen Rechts und bei praktischer Durch-
bildung dieses Verständnisses als gemeines Recht angewendet werden müsste,
allerdings geeignet sein könnte, den Untergrund für einen sicheren Neubau
abzugeben. In der Fortsetzung dieses Gedankens liest denn auch der Satz
im Vorwort, in dem wir das Credo der ganzen Arbeit niedergelegt finden:
„Erkennt man, in wie hohem Grade das gemeine Recht, namentlich in
seinen allgemeinen Lehren, auch noch heute den Bedürfnissen des Lebens
entspricht, so wird man immer wieder darauf zurückgeführt, wie viel besser
es gewesen wäre, wenn man zur Herstellung der deutschen Rechtseinheit,
statt eine grosse Kodifikation zu unternehmen, mit mehr oder minder um-
fassenden Gesetzen über einzelne Rechtsmaterien vorgeschritten wäre, die
im Anschluss an das gemeine Recht die Rechtseinheit nach und nach ver-
wirklicht hätten.“ Stoerk.
0. Q. van Swinderen. Esquisse du Droit penal actuel dans les
Pays-Basetäl’eiranger.T. 1. Groninque, P. Noordhoff, 1881. 20 Fes.
Ein in grossen Linien angelegtes Werk, dessen vorliegender erster Band
weitgehende Erwartungen wachruft. Das holländische Strafreebtsystem wird