— 94 —
stimmungen gegeben, und zwar die Auslegung, welche die vor-
den allgemeine war.
Mag man diese Auslegung auch, wir wir gethan, im Hin-
blick auf Art. 41 Abs. III unseres Gesetzes nicht für diejenige
der früheren Gesetzgebung halten, sie ist die Auslegung des Ge-
setzgebers der Gegenwart und damit bindend.
Auch in der Fassung, welche Art. 33 Abs. II durch die
Novelle vom 23. Februar 1872 erhielt, standen sich zwar schon
giltig und ungiltig als Gegensätze gegenüber, wenn es dort hiess:
„Eine ım Widerspruche mit dieser Bestimmung eingegangene
Ehe ıst solange, als die Ausstellung jenes Zeugnisses nicht nach-
träglich erwirkt wurde, bürgerlich ungiltig, es sei denn, dass
die Ehe von einem Manne, welcher ausserhalb Kiuropa’s seinen
Wohnsitz hat, am Orte dieses Wohnsitzes oder sonst ausserhalb
Bayerns abgeschlossen wurde und nach den Gesetzen des be-
treffenden Staates als giltig zu erachten ist.“ Allein hier hinderte
das „wenn die Ehe wieder aufgelöst ist‘ des Art. 41 Abs. II
noch, unter „ungiltig‘“ das Gegenteil von „giltig‘‘. die rechtliche
Niehtexistenz statt rechtlicher Wirkungslosigkeit zu verstehen.
So ergibt sich als die dem Sinne und Wortlaut des neueu
(aesetzes entsprechende Lösung obigen Falles: Von dem Inkraft-
treten der Novelle vom 17. März 1892 an ist die ohne Zeugnis
eingegangene, bis dahin rechtlich nicht vorhandene erste Ehe als
seit dem Tage ihres Abschlusses rechtlich vorhandene Ehe zu
betrachten. Die zweite Ehe ist gleichzeitig eine Unehe geworden,
doch unbeschadet der in der Vorzeit von Ehefrauen und Kindern
erworbenen Rechte, insbesondere ihrer Heimath und Staatsange-
hörigkeit.
Was die erste Ehe angeht, so erhält dieselbe bei nachträg-
licher Erwirkung des Zeugnisses für Ehefrau und titulierte Kinder
in Bezug auf Heimat die Wirkungen einer giltigen Ehe, und zwar
unter Zurückziehung auf den Zeitpunkt der Eheschliessung, wie
dies schon nach bisherigem Recht hinsichtlich des Eintritts der